Ende 2020 hat Rechtsanwältin und Notarin Annika Seebach ihre eigene Rechtsanwalts- und Notarkanzlei SEEBACH FREY & PARTNER gegründet. Neben ihr als alleiniger Inhaberin beraten noch zwei Non-Equity-Partner, eine angestellte Rechtsanwältin und ein angestellter Rechtsanwalt zu verschiedenen Rechtsgebieten, darunter allgemeines Zivilrecht, Arbeitsrecht, Bau- und Architektenrecht, Datenschutzrecht, Energierecht, Erbrecht sowie Verkehrs- und Vertragsrecht. Beim Soldan Kanzleigründerpreis ist Annika Seebach mit dem 1. Preis ausgezeichnet worden.
Worauf haben Sie bei der Gründung Ihrer Kanzlei großen Wert gelegt?
Annika Seebach: Wenn man frisch gründet, analysiert man zunächst den Markt und überlegt, wie man sich (in meinem Fall von anderen Rechtsanwaltskanzleien) abheben könnte. Hierbei ist mir mitunter aufgefallen, dass sich die Einrichtung vieler Kanzleien ähnelt. Daran habe ich angeknüpft, wollte ein frisches Ambiente schaffen und habe mich in die Rolle des potenziellen Mandanten versetzt. Dieser sucht uns meistens auf, wenn er ein eher unschönes rechtliches Anliegen hat. Ich habe daher u.a. viel Wert auf die Inneneinrichtung gelegt und dies (auch über Social Media) nach außen getragen. Wenn Mandanten die Kanzlei heute betreten, äußern sie sich zumeist als erstes über die schönen Räumlichkeiten und wie wohl sie sich fühlen.
Ein schönes Ambiente mag eine Rolle spielen. Die Mandantinnen und Mandanten wollen aber, dass ihr Problem möglichst schnell gelöst wird.
Dessen bin ich mir bewusst, weshalb das Raumkonzept natürlich nicht die einzige Säule ist, auf welche ich bei der Gründung gesetzt habe. Die Kanzlei ist durchweg digital ausgerichtet. Termine können online ausgewählt und Besprechungen durchgeführt werden. Der digitale Zugriff auf die Akten ist unseren Mitarbeitern von überall möglich, sodass die Anliegen unserer Mandanten äußerst schnell bearbeitet werden können. Es war mir stets wichtig, dass eine gute Erreichbarkeit der Kanzlei gegeben ist. Darüber hinaus setzen wir sehr auf Transparenz der Kommunikation hinsichtlich anfallender Gebühren und Ausgangschancen eines jeden rechtlichen Begehrens.
Viele Kanzleien werben heute mit ihrer Spezialisierung. Ihre Kanzlei ist hingegen breit aufgestellt. Warum haben Sie sich so entschieden?
In der Tat war dies ein Thema, mit welchem ich mich bei der Gründung meiner Kanzlei intensiv auseinandergesetzt habe. Spezialisierte Boutique-Kanzleien haben zweifellos ihren Reiz und genießen auf dem Markt eine besondere Attraktivität. Während meiner Zeit in Hamburg und New York hätte ich mir eine solche Spezialisierung durchaus vorstellen können. Doch zurück in meiner Heimat Nordhessen stellte sich die Situation für mich anders dar. Für viele Menschen ist die Beziehung zu ihrem Rechtsanwalt von entscheidender Bedeutung. Sie wollen jemanden an ihrer Seite wissen, dem sie vertrauen – einen rechtlichen Wegbegleiter, der sie durch verschiedene Lebenslagen hindurch unterstützt, ohne bei jedem neuen Problem eine andere Kanzlei aufsuchen zu müssen. Es ging mir daher weniger darum, die eine Nische zu besetzen, sondern vielmehr eine umfassende Versorgung zu gewährleisten – für Unternehmer wie für Privatpersonen. Wir begleiten Unternehmen und Start-ups bei arbeits-, gesellschafts- und vertragsrechtlichen Fragen, stehen aber ebenso Privatpersonen bei Erbschaftsstreitigkeiten, Verkehrsunfällen oder anderen rechtlichen Sorgen zur Seite. Zudem werden seit meiner Bestellung zur Notarin auch notarielle Themen abgedeckt.
In Kammerbezirk Kassel gehen die Anwaltszahlen seit einigen Jahren zurück. Ist es schwieriger in Ihrer Region Mitarbeitende für Ihre Kanzlei zu finden?
Fachkräfte zu finden, ist in vielen Kanzleien eine große Herausforderung. Interessanterweise habe ich dabei bisher die besten Erfahrungen im Bereich der Rechtsanwalts- und Notarfachangestellten gemacht. Ich konnte schnell engagierte und kompetente Mitarbeiterinnen gewinnen und denke, dass die modernen Arbeitsplätze dabei auch eine große Rolle spielen. Ganz anders gestaltet sich jedoch die Suche nach beruflichen Kolleginnen und Kollegen – und insbesondere nach Rechtsanwältinnen. Gerade junge Juristinnen zieht es häufig aufgrund der vermeintlich besseren Vereinbarkeit von Beruf und Familie in den Staatsdienst. Das hat mich zum Nachdenken gebracht. Mir ist es ein Anliegen, aufzuklären und zu zeigen, wie vielseitig, herausfordernd und gleichzeitig wundervoll die Anwaltschaft sein kann – auch für Frauen und mit Familie. Daher habe ich im Jahr 2022 die Initiative „give a girl a robe“ ins Leben gerufen. Jedes Jahr am Weltfrauentag, dem 8. März, lade ich seither Juristinnen und interessierte Studentinnen ein, um Einblicke in die facettenreiche Berufswelt der Anwältin zu geben und den persönlichen Austausch zu fördern. Was zunächst in den Räumen meiner Kanzlei begann, hat sich inzwischen zu einer festen Größe entwickelt. Aufgrund der großen Resonanz wähle ich mittlerweile einen anderen Veranstaltungsort und habe das Programm um inspirierende Fachvorträge und namhafte Speakerinnen erweitert.
Sie sind im vergangenen Jahr Mutter geworden. Wie erleben Sie selbst denn die Vereinbarkeit von Beruf und Familie?
Ich liebe meinen Beruf und somit kam in mir nie der Wunsch auf, auszusetzen. De facto gibt es aber keinen wirklichen Mutterschutz für Selbstständige. Ich habe zum Beispiel noch im Krankenhaus Bauträgerverträge geprüft und nehme meinen Sohn regelmäßig mit ins Büro. Als Selbstständige habe ich hier aber natürlich eine andere Motivation – die Kanzlei ist eben auch mein Baby und somit liegen mir die Mitarbeiter sehr am Herzen. Ich möchte daher ebenfalls für sie eine möglichst gute Vereinbarkeit von Beruf und Familie schaffen und sie aktiv dabei unterstützen, beides gut unter einen Hut zu bringen. Ein Zeichen dafür ist die Erweiterung meiner Kanzlei. In der seit Herbst angemieteten weiteren Etage gibt es nun ein Spielzimmer, in welchem derzeit mein Sohn betreut wird. Es ist aber darauf ausgelegt, dass auch die zukünftigen Kinder meiner Mitarbeiter dort einen Platz haben. Ich würde mich insofern sehr freuen, wenn es meinem Team die Vereinbarkeit von Beruf und Familie erleichtert.