Bund und Länder sehen wieder starke Einschränkungen des gesellschaftlichen und wirtschaftlichen Lebens vor, um die Corona-Pandemie einzudämmen. Justiz und Anwaltschaft müssen jedoch arbeits- und handlungsfähig bleiben, appelliert die Bundesrechtsanwaltskammer (BRAK). Der zwingend notwendige Gesundheitsschutz dürfe nicht zu einem Stillstand der Rechtspflege führen.
Wie aus einer zweiten Umfrage der Kammer zu den Auswirkungen der Corona-Pandemie auf die Anwaltschaft hervorgeht, ist dies in der Justiz in den vergangenen Monaten nicht immer der Fall gewesen. Etwas weniger als die Hälfte (47,2 Prozent) der rund 5.600 Rechtsanwältinnen und Rechtsanwälte, die vom 22. September bis 6. Oktober 2020 an der Befragung teilgenommen haben, geben an, dass es zu Verfahrensverzögerungen von durchschnittlich mehr als acht Wochen gekommen sei. Besonders betroffen waren Streitigkeiten im Strafrecht (58,14 Prozent), Sozialrecht (56,73 Prozent), Straßenverkehrsrecht (52,67 Prozent), Mietrecht (52,41 Prozent), Familienrecht (52,93 Prozent) und Erbrecht (51,53 Prozent).
Wie aus der Umfrage weiter hervorgeht, sind die Mandate inzwischen etwas weniger stark zurückgegangen. Allerdings geben immer noch rund die Hälfte der Befragten an, dass sie weniger neue Mandate haben. Im Frühjahr sind es aber noch rund 70 Prozent gewesen. Gleichwohl ist die Situation in der Anwaltschaft nach wie vor angespannt. So erklären mehr als 20 Prozent, dass sie auf Soforthilfen angewiesen seien. Knapp ein Drittel der Teilnehmer verzeichnet auch höhere Außenstände bei den Mandanten. Zudem werden die weiteren Aussichten zunehmend skeptischer betrachtet: Rund 40 Prozent meinen, dass sie die wirtschaftlichen Einbußen erst binnen eines Jahres bewältigen können. In der ersten Umfrage waren es noch 23,8 Prozent. Ein Drittel erwartet weiterhin, die wirtschaftlichen Auswirkungen in sechs Monaten überwunden zu haben. Aber mehr als 12 Prozent gehen davon aus, dass sie den wirtschaftlichen Einbruch gar nicht bewältigen werden.
Etwas Positives hat die Pandemie immerhin auch bewirkt: So erklärt die Mehrheit (62,2 Prozent) der Teilnehmer, dass sie sich dadurch mehr mit der Digitalisierung beschäftigt haben. Zudem haben sie mehr über Telefon, Video oder E-Mail mit ihren Mandanten kommuniziert. Das trifft jedoch nicht auf die Kommunikation mit den Gerichten zu. Von den „vorhandenen gesetzlichen Möglichkeiten der Bild- oder Tonübertragungen oder Zeugenbefragungen auf diesem Wege“ sei „nur sehr unzureichend Gebrauch“ gemacht worden, so das Ergebnis der Umfrage. 89,36 Prozent geben an, dass weder auf Antrag noch von Amts wegen solches veranlasst wurde. Das Verfahrensmanagement der Gerichte müsse daher dringend verbessert werden, so die BRAK.