Musterbrecher misstrauen den vordergründigen Antworten

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Mehr Freiheit und Selbstverantwortung für die Mitarbeiter, das kennzeichnet nach Prof. Dr. Hans A. Wüthrich heute die moderne Führung. Der Inhaber des Lehrstuhls für Internationales Management an der Universität der Bundeswehr München und Privatdozent an der Universität St. Gallen hat mit zwei weiteren Kollegen das Forschungsprojekt „Musterbrecher“ initiiert. Darüber wird er auch auf dem Anwaltszukunftskongress am 8. und 9. September in Düsseldorf berichten.

Was verbirgt sich eigentlich hinter dem Begriff „Musterbrecher“?

Als Musterbrecher bezeichnen wir Persönlichkeiten, die den vordergründigen Antworten misstrauen, die Fragezeichen tiefer setzen, das Undenkbare denken und den Mut haben ergebnisoffen zu experimentieren. Sie verwenden das Anderssein nicht als Etikett, sie verlassen auch nicht das Spielfeld, sonst wären sie Aussteiger. Aber sie machen dennoch nicht einfach weiter wie bisher.

Warum sind heute Musterbrecher so wichtig in einer Organisation?

Gerade die heutigen Herausforderungen sind zu komplex für einfache Antworten. Wer eindeutige Lösungen proklamiert, hat das Problem oftmals nicht erkannt. In diesem Kontext ist der Rückgriff auf Muster, also auf erfahrungsgeleitete Haltungs- und Handlungsprinzipien, immer weniger zielführend. Denn wenn wir nur mechanisch steuern, gehen Spaß und Leidenschaft verloren. Die Mitarbeiter absolvieren Dienst nach Vorschrift. Kreativität hat keinen Platz, um sich zu entfalten. Zudem zieht eine einstig auf Effizienz getrimmte Organisation auch keine Talente mehr an.

Wie muss moderne Führung Ihrer Meinung nach aussehen?

Wir müssen unsere Erfahrungen und Musterprägungen stets auf den Prüfstand stellen. Führung ist gefordert Undenkbares zu denken, um Denkbares zu erkennen. Sie muss bereit sein, Regeln und Muster außer Kraft zu setzen. Statt zu steuern, zu kontrollieren und zu standardisieren, lautet die Herausforderung: ZUTRAUEN, LOSLASSEN und EXPERIMENTIEREN. Dies erfordert den Mut zum Musterbruch und eine Haltung, die auch im Scheitern einen Mehrwert sieht.

Das verlangt oftmals auch eine andere Einstellung gegenüber den Mitarbeitern.

Das stimmt. Musterbrecher gehen davon aus, dass die Menschen mündig sind, gute Leistungen erbringen wollen und in der Lage sind, sich selbst gut zu organisieren. Die meisten Organisationen gehen in der Praxis heute leider immer noch von einem an deren Menschenbild aus: von dem Mitarbeiter, der nur begrenzt eigenverantwortlich handeln kann und deshalb geführt und kontrolliert werden muss.

Wie kann eine Führungskraft zum „Musterbrecher“ werden?

Experimente sind dazu ein probates Mittel. Die Führungskraft kann zum Beispiel eine zeitlang Entscheidungen, die sie aus juristischen Gründen nicht selbst treffen muss, an andere delegieren. Es ist interessant zu beobachten, wie sich Teams dann selbst organisieren und welche Potenziale sich entfalten. Solche Experimente entlarven limitierende Denkmuster, widerlegen Theoriestandards und etablierte Managementpraxis.

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