Gute und zufriedene Mitarbeiter sind entscheidend für den Erfolg eines Unternehmens. Aber landauf, landab wird es immer schwieriger sie zu finden und zu halten. Das spüren auch beinahe alle Kanzleien in Deutschland: Seit Jahren gehen die Ausbildungszahlen für Rechtsanwaltsfachangestellte zurück. Zudem suchen viele gut ausgebildete Fachkräfte ihr berufliches Glück außerhalb einer Kanzlei.
In mehreren Veranstaltungen beschäftigt sich deshalb auch der diesjährige Deutsche Anwaltstag (DAT) mit den Themen Personal und Fortbildung. Wie aus dem Online-Seminar des DAT, das am 13. Juni 2023 stattfand, hervorging, ist das Problem des Fachkräftemangels in den Kanzleien teilweise „hausgemacht“. Personalführung, Kommunikation auf Augenhöhe und Wertschätzung der Mitarbeiter sollten inzwischen selbstverständlich sein, sind es aber häufig in Kanzleien noch nicht. Die Berufsträger setzten ihre Prioritäten anders und wollen für Personalthemen einfach nicht ausreichend Zeit aufbringen, beobachtet Ronja Tietje (Tietje & Schrader Kanzlei-Consulting, kooptiertes Mitglied des geschäftsführenden Ausschusses der Arbeitsgemeinschaft Kanzleimanagement sowie Vorstandsmitglied des RENO-Bundesverbandes). Zusammen mit Oliver Schwartz von Soldan, ebenfalls Mitglied des ReNo-Ausschusses, schilderte sie, woran es oftmals in Kanzleien bei der Personalführung hapert. So wusste sie beispielsweise von einer Rechtsanwaltsfachangestellten zu berichten, die für ihren Chef jeden Morgen die Zeitung bügeln musste.
„Mitarbeiter sind eine wichtige Säule in jedem Unternehmen, also auch in einer Kanzlei. Wenn ich diese Säule vernachlässige, gerate ich in die Schieflage“, sagte Tietje. Mitarbeiter, Vorgesetzte und Chefs bildeten eine „Berufsfamilie“, da spiele Kommunikation und gegenseitiges Vertrauen eine zentrale Rolle, betonte sie immer wieder. Die Beharrungskräfte seien in den Kanzleien besonders groß, stellte Schwartz fest. Das sei nicht allein beim Umgang mit moderner Technik zu beobachten, sondern zeige sich ebenfalls beim Führungsstil. Aber gerade jüngere Menschen erwarten heute mehr Ansprache und mehr Gestaltungsmöglichkeiten in ihrem beruflichen Umfeld.
Diese „weichen“ Faktoren spielen eine wichtige Rolle, wenn es darum geht, erfahrene Mitarbeiter zu halten und auch neue zu gewinnen. Auf der anderen Seite gelten auch harte Fakten, die berücksichtigt werden müssen. So ist es beispielsweise ein häufiger Fehler, langjährige Mitarbeiter nicht zu berücksichtigen, wenn bei der Einstellung von neuen, jüngeren Mitarbeitern Zugeständnisse gemacht werden. „Das trägt Neid in die Organisation“, sagte Tietje.
Ein weiterer wichtiger Punkt, um Mitarbeiter zu halten, sind Weiterbildungsmöglichkeiten. Tietje muss immer wieder feststellen, dass Kanzleien gar nicht wissen, dass sich ihre Mitarbeiter für eine Weiterbildung, etwa zum geprüften Rechtsfachwirt entschieden haben und dafür viel Mühe, Zeit und auch Geld aufbringen. Zu groß ist die Befürchtung der Betroffenen, dass ihr Arbeitgeber diese Anstrengungen als unnötig empfindet oder Angst davor hat, mehr Gehalt zahlen zu müssen. Auch das ist ein Zeichen mangelnder Wertschätzung für engagierte Mitarbeiter.