Wir brauchen eine allgemeine, konkretisierte Fortbildungspflicht

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1954

Von Rechtsanwalt und Notar Dr. Thilo Wagner

Die deutsche Anwaltschaft ist gut ausgebildet. Sie bildet sich fort und erbringt, jeden Tag aufs Neue, anwaltliche Dienstleistungen auf hohem juristischem Niveau!

Dennoch ist die Einführung einer allgemeinen, konkretisierten und auch sanktionierten Fortbildungspflicht nicht nur sinnvoll; sie ist zwingend erforderlich, um weiterhin diese hohe Qualität von Rechtsdienstleistungen zu gewährleisten.

Der Markt für die Erbringung von Rechtsdienstleistungen, insbesondere im Bereich der Rechtsberatung, der Konfliktbewältigung, der Durchsetzung materieller und immaterieller Ansprüche oder der Vertragsgestaltung, ist heiß umkämpft. Auf diesen Markt drängen Banken, Versicherungen, Steuerberater, KfZ-Werkstätten, Wohnungsverwaltungsgesellschaften, zunehmend auch Internetportale und viele andere, die Rechtsdienstleistungen anbieten wollen.

Im Interesse einer hohen Qualität von Rechtsdienstleistungen hat der Gesetzgeber den Marktzugang durch die Hürde zweier anspruchsvoller juristischer Staatsexamina begrenzt, die Berufsausübung aber an keine weiteren qualitativen Anforderungen geknüpft.

Diese inkohärente Regelung ist der EU-Kommission, die stets eine Öffnung der Märkte anstrebt, ein Dorn im Auge; sie steht auch im Widerspruch zur Rechtsprechung des EuGH. Im Rahmen der Prüfung der Zulässigkeit von Wettbewerbsbeschränkungen der Dienstleistungsfreiheit (Art. 56 AEUV) prüft der EuGH neben der Verhältnismäßigkeit insbesondere das Kohärenzgebot. Problematisch ist in Hinblick auf dieses Kohärenzgebot, wenn der Erlaubnisvorbehalt für die Erbringung von Rechtsdienstleistungen mit dem hohen Qualifikationsniveau der Rechtsanwälte begründet wird, dieses aber systemisch allein durch die Anforderungen an die Berufsausbildung  abgesichert wird, auf der anderen Seite jedoch nicht sichergestellt wird, dass diese Qualität durch entsprechende, zwingend vorgeschriebene Fortbildungsmaßnahmen aufrecht erhalten bleibt.

Bei einem Verstoß gegen diese vom EuGH aufgestellten Anforderungen droht der Bundesrepublik nichts weniger als ein Vertragsverletzungsverfahren der Kommission vor dem EuGH mit dem Ziel, diese Marktbeschränkungen als europarechtswidrig feststellen zu lassen.

Verzichtet die Anwaltschaft auf die Einführung einer allgemeinen konkretisierten Fortbildungspflicht, besteht das konkrete Risiko der Abschaffung des Rechtsdienstleistungsgesetzes und in der Folge zwangsläufig des Rechtsanwaltsvergütungsgesetzes mit unabsehbaren Folgen für die Wettbewerbssituation der Anwaltschaft und der Qualität juristischer Dienstleistung. Den Schaden hätten neben der Anwaltschaft vor allem auch die Verbraucher, die nicht mehr auf die bisherige hohe Qualität juristischer Dienstleistung vertrauen könnten.

Lesen Sie auch die Position von Rechtsanwältin Sabine Speisebecher: „Die Fortbildung der Rechtsanwälte muss nicht überwacht werden! Gut so!“

 

Zur Person

Dr. Thilo Wagner ist Rechtsanwalt und Notar in Ravensburg. Er ist auch Vorsitzender des Ausschusses Aus- und Fortbildung der 6. Satzungsversammlung bei der Bundesrechtsanwaltskammer.

1 Kommentar

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