Zu langsam, zu teuer – Mandanten ziehen weniger vor Gericht

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Mandanten sind heute stärker an einer schnellen Konfliktlösung interessiert als an einem langwierigen Gerichtsverfahren. Auch aus Kostengründen scheuen sie, ihre Anliegen gerichtlich durchzusetzen. Hinzu kommt, dass viele Mandanten nicht glauben, dass staatliche Gerichte zu fairen Ergebnissen kommen. Dies sind nach Meinung von Rechtsanwältinnen und Rechtsanwälten die drei wichtigsten Gründe, warum die Eingangszahlen bei den Gerichten seit Jahren sinken. Das geht aus einer Untersuchung des Soldan Instituts zum Berufsrechtsbarometer 2021 hervor. Die Kölner Berufsforscher hatten rund 1.900 Rechtsanwältinnen und Rechtsanwälte mit mehr als zehn Jahren Berufserfahrung um ihre Einschätzung gebeten, worauf die sinkenden Eingangszahlen bei den Gerichten zurückzuführen seien. Auch das Bundesjustizministerium versucht inzwischen, mit einer Studie die Gründe dafür herauszufinden.

Der Rückgang der neu eingehenden Verfahren ist in der Zivilgerichtsbarkeit besonders stark ausgeprägt. So sanken die Zivilprozesssachen bei den Amtsgerichten im Jahr 2016 erstmals auf weniger als eine Millionen Verfahren; nach den zuletzt verfügbaren Zahlen im Jahr 2020 waren sogar nur noch 852.907 neu eingehende Fälle zu verzeichnen. Auch die Eingänge der Zivilprozesssachen bei den Landgerichten sinkt. Für einen leichten Anstieg sorgte 2018 der Diesel- und Abgasskandal. Wie aus der Statistik hervorgeht, sind die Eingangszahlen lediglich bei den Strafsachen stabil geblieben.

Nach Einschätzungen der befragten Rechtsanwältinnen und Rechtsanwälte spielen alternative Konfliktlösungsinstrumente wie Mediation „als Konkurrenz“ zur ordentlichen Gerichtsbarkeit nur eine untergeordnete Rolle. Auch schlechtere Möglichkeiten, etwa Kostenhilfe oder die Unterstützung durch Rechtsschutzversicherungen in Anspruch zu nehmen, seien nicht wirklich ausschlaggebend für die rückläufigen Eingangszahlen.  „Die Ergebnisse legen nahe, dass die Gründe für diese Entwicklung eher bei den Zweifeln der Rechtssuchenden an der Justiz liegen. Sie trauen ihr seltener als in der Vergangenheit zu, zu raschen und fairen Ergebnissen zu kommen“, stellt der Direktor des Soldan Instituts Prof. Dr. Matthias Kilian fest. Er forscht und lehrt an der Universität zu Köln.