Soldan Tagung: Law Clinics dienen der praxisorientierten Juristenausbildung

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Auf der Soldan Tagung diskutierten Vertreter Institutionen, Anwaltschaft, Hochschulen und Studierende über Law Clinics.

Verbraucher fühlen sich in Deutschland oftmals nicht ernst genommen. Viele scheuen auch, ihre Ansprüche geltend zu machen. Die Angst vor hohen Anwaltskosten sitzt tief. Sophie Reimann von der Humboldt Consumer Law Clinic Berlin kennt diese Probleme ganz genau. Denn in solchen Fällen helfen sie und ihre Kollegen den geprellten Konsumenten weiter – angefangen von Problemen bei der Durchsetzung von Fluggastrechten bis hin zur Lieferung mangelhafter Waren beim Onlinekauf, überhöhten Schlüsseldienstkosten oder mietrechtlichen Streitigkeiten. Allerdings dürfen sich die Berliner Studenten nur bis zu einem Streitwert von 1.000 Euro und auch nur im außergerichtlichen Verfahren um solche Konflikte kümmern. So sehen es ihre Statuten vor. Und sie werden – das gilt für alle studentischen Rechtsberater – von einem Volljuristen angeleitet und überwacht. Nur dann ist ihre Beratung überhaupt zulässig.

Für Studenten und Mandanten ist es eine „win-win“-Situation: Den Verbrauchern wird geholfen, ohne dass sie dafür zahlen müssen. Die Studenten haben die Gelegenheit, schon während ihres Studiums, an konkreten Fällen zu arbeiten und praktische Erfahrungen zu sammeln. Das sei gerade in dem oftmals sehr theoretischen und langwierigen Studium sehr erfrischend, findet Sophie Reimann.

Sie gehört zu den mehr als 100 Teilnehmern, die zur Soldan Tagung am 29. und 30. Juni nach Köln gereist sind. Die 2017 vom Institut für Anwaltsrecht an der Universität zu Köln ausgerichtete Soldan Tagung wird von der Soldan Stiftung getragen und beschäftigt sich mit den Fragen einer praxisorientierten Juristenausbildung. Sie findet alle zwei Jahre statt und hat sich zu einem wichtigen Impulsgeber auf diesem Gebiet entwickelt. In diesem Jahr ging es um die Law Clinics als Instrument einer anwaltsorientierten Juristenausbildung. Studenten stellten verschiedene Modelle vor. Praktiker aus Universitäten, Anwaltschaft und Prüfungsämtern diskutierten Inhalte sowie didaktische und regulatorische Fragen.

Aktuell 67 Law Clinics in Deutschland

Derzeit erfreut sich diese Form der studentischen Rechtsberatung nach anglo-amerikanischem Vorbild in Deutschland immer größerer Beliebtheit: Es existiert kaum mehr eine Universität, die nicht mindestens eine Law Clinic aufweist. In vielen Fällen sind es gleich mehrere mit verschiedenen Spezialisierungen. Besonders häufig sind Law Clinics vertreten, die sich mit Fragen des Asyl- und Aufenthaltsrechts beschäftigen.  Die 67 studentischen Rechtsberatungen, die Prof. Dr. Matthias Kilian, Direktor des Soldan Instituts, in einem „Law Clinic-Führer“ zusammengestellt hat, kennzeichnet eine große Vielfalt: Sie betrifft die Rechtgebiete genauso wie die Mandanten. So beraten manche ausschließlich ihre Kommilitonen, andere richten sich an die Öffentlichkeit. Auch die Anforderungen an die Teilnehmer der Law Clinics variieren. Einige müssen vorher eine theoretische Ausbildung absolvieren oder sogar Prüfungen ablegen.

Bei allen Vorzügen, die mit dieser praktischen Ausbildung am konkreten Fall verbunden sind, wurden auf der Tagung in Köln auch mögliche Probleme angesprochen. Je mehr die Tätigkeit der Law Clinics bekannt wird, je mehr sie sich auch professionalisieren, desto stärker wächst möglicherweise auch unerwünschte Konkurrenz für Anwälte heran. Ganz und gar entkräften lassen sich solche Bedenken nicht. „Bei den Law Clinics steht das edukative Element absolut im Vordergrund. Das muss auch stärker betont werden, um die Akzeptanz in der Anwaltschaft zu erhalten“, sagt Kilian. Die Anwaltschaft sollte Law Clinics angesichts erstmals rückläufiger Anwaltszahlen nicht als Wettbewerber ansehen, sondern als Chance begreifen, künftige Volljuristen bereits im Studium für die anwaltliche Berufstätigkeit zu begeistern.

Hier Pressemitteilung zur Soldan Tagung lesen