Bundesrechtsanwaltskammer setzt sich für den Fachanwalt „BGH“ ein – fällt die Singularzulassung beim BGH?

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Erstaunlich kurz fiel die Pressemitteilung der Bundesrechtsanwaltskammer (BRAK) zu ihrer 167. Hauptversammlung am 20. September 2024 aus – lediglich zwei Sätze. Man werde sich für die Einführung einer Fachanwaltschaft „BGH“ stark machen, um das bestehende System zu reformieren und zu modernisieren. Das Präsidium der BRAK werde den Vorschlag an das Bundesjustizministerium übermitteln, heißt es darin.

Hinter der knappen Information verbirgt sich ein seit vielen Jahren schwelender Streit um die Singularzulassung beim Bundesgerichtshof (BGH). Bereits 2017 hatte unter anderem der Vorstand der Rechtsanwaltskammer Berlin die Initiative angestoßen, diese abzuschaffen. Mit ihrer Kritik gegen das Institut der Singularzulassung beim BGH steht er aber längst nicht allein da. Viele halten diese Sonderregelung für die Anwaltschaft, die nur für das höchste deutsche Zivilgericht gilt, für überkommen und für problematisch, da es gegen den Grundsatz der freien Anwaltswahl verstößt. Nur vor dem BGH können sich Rechtssuchende ihren Anwalt nur unter den dort zugelassenen Anwälten aussuchen.

Derzeit sind es insgesamt 37 Rechtsanwälte und Rechtsanwältinnen. Sie müssen mindestens fünf Jahre ohne Unterbrechung ihren Beruf ausgeübt haben. Wer sich für geeignet hält, kann sich über die Rechtsanwaltskammer für dieses Amt bewerben. Ausgewählt wird er von einem Wahlausschuss, der mehrheitlich von BGH-Richterinnen und -Richtern besetzt ist. Die Ernennung erfolgt dann vom Bundesjustizminister beziehungsweise -ministerin.

Besonders viel Kritik richtet sich gegen dieses Auswahlverfahren. Es sei intransparent, weil gesetzliche Kriterien sowie eine gerichtliche Kontrolle fehlen; auch eine Verpflichtung zur Bestenauslese existiere nicht. Im Gegensatz zur Anwaltschaft, die sich zunehmend spezialisiert habe, sei dies bei den BGH-Anwältinnen und -Anwälten nicht der Fall, so lauten die kritischen Stimmen. Derzeit kommen 11 Fachanwaltstitel auf sieben der 37 BGH-Anwältinnen und Anwälte. Zudem gebe es derzeit viel zu wenige BGH-Rechtsanwältinnen und -Anwälte. Das lege den Verdacht nahe, dass wirtschaftliche Pfründe auf diese Weise gesichert werden sollen, denn das Auswahlgremium entscheidet nicht nur über die Kandidaten, sondern auch über den Bedarf an BGH-Anwälten und -Anwältinnen. Für Kritiker wie die Präsidentin der Rechtsanwaltskammer Berlin Dr. Vera Hofmann ist die BGH-Anwaltschaft ein closed shop. „Richter und Anwälte sitzen in Karlsruhe und laufen sich ständig über den Weg – beruflich wie privat. Das kann von Vorteil, aber auch von Nachteil sein“, stellt die Fachanwältin für Strafrecht und Fachanwältin für Miet- und Wohneigentumsrecht fest.

Selbstverständlich gibt es auch Befürworter, die an diesem System der Singularzulassung festhalten wollen, sonst wäre die Abstimmung auf der BRAK-Hauptversammlung auch nicht so knapp ausgefallen. So gab es 48 Stimmen für die Abschaffung und 46 dagegen. Die Befürworter verweisen vor allem auf die Besonderheiten des Revisionsrechts, die eine besondere Spezialisierung verlange, und auf das „Vier-Augen-Prinzip“. Ein Rechtsbeistand, der nicht mit dem Fall vorbefasst ist, schaue mit anderen Augen auf das Verfahren und erkenne eher einen Fehler, so das Argument. In den Revisionsverfahren gehe es um abstrakte Rechtsfragen, wobei das Interesse an der Rechtsvereinheitlichung und -fortbildung durch den BGH im Vordergrund stehe. Hier müssen sich Anwälte und Richter sowie die Anwälte beider Parteien auf Augenhöhe begegnen können. Auch der Verbraucher, dessen Fall vor dem höchsten deutschen Zivilgericht landet, soll durch einen ausgewiesenen Experten vertreten werden und nicht nur der zahlungskräftige Unternehmensmandant, so die Befürworter. 

Für Hofmann verfangen diese Argumente jedoch nicht. Sie kann keinen Grund erkennen, der einen solchen rigiden Eingriff in den Markt rechtfertigt. Und so sehen es auch all jene, die auf der BRAK-Hauptversammlung für die Abschaffung der Singularzulassung gestimmt haben. Die Einführung einer neuen Fachanwaltschaft „BGH“ – so der Arbeitstitel – soll für die erforderliche Spezialisierung sorgen und dies auch für den Rechtssuchenden signalisieren. Für diesen Titel müssen Anwältinnen und Anwälte 60 Zeitstunden Fortbildung im Revisionsrecht absolvieren, drei Klausuren bestehen und eine jährliche Fortbildung nachweisen. Dann sollen sie auch vor dem BGH auftreten können. Das intransparente Auswahlverfahren wäre damit obsolet.

Die BRAK hat am 20. September 2024 entschieden, diesen Vorstoß zu wagen; entscheiden muss der Gesetzgeber. „Dafür ist es aber wichtig, dass die Anwaltschaft – am besten gemeinsam mit dem Deutschen Anwaltverein – deutlich macht, dass sie die Abschaffung der Singularzulassung befürwortet“, betont Hofmann.