Künftig haben angehende Fachanwältinnen und -anwälte mehr Zeit, um die Anzahl der praktischen Fälle in ihrem Rechtsgebiet nachzuweisen. Die Satzungsversammlung der Bundesrechtsanwaltskammer (BRAK) hat am 26. Mai 2025 diese Frist von bisher drei auf nunmehr fünf Jahre verlängert. Dafür hat sie die entsprechende gesetzliche Vorschrift in der Fachanwaltsordnung (§ 5 Abs. 1 Satz 1 FAO) geändert: Der Erwerb besonderer praktischer Erfahrungen setzt voraus, dass die Antragstellerin oder der Antragsteller innerhalb der letzten fünf Jahre vor der Antragstellung im Fachgebiet als Rechtsanwältin oder Rechtsanwalt persönlich und weisungsfrei bearbeitet hat.
In den vergangenen Jahren hat sich die Anzahl der praktischen Fälle, die Rechtsanwältinnen und -anwälte innerhalb von drei Jahren nachweisen mussten, um den angestrebten Titel zu erhalten, zunehmend zu einer schwer zu überwindenden Hürde erwiesen. Das hat dazu geführt, dass der Zuwachs an Fachanwälten zuletzt immer schwächer ausfiel. Während sich ihre Zahl zwischen 2006 und 2013 verdoppelte, betrug das prozentuale Wachstum zuletzt nur noch 0,5 Prozent, so die Analyse des Soldan Instituts aus dem Jahr 2023.
In einigen Fachanwaltschaften ist die Zahl der neuen Zulassungen sogar gesunken. Besonders drastisch ist dieser Rückgang im Familien- und im Sozialrecht.
In diesen beiden Fachgebieten sind überdurchschnittlich viele Rechtsanwältinnen tätig. Viele über ihren Beruf aber nicht in Vollzeit aus, so dass es für sie schwierig ist, auf die erforderlichen Fallzahlen innerhalb von drei Jahren zu kommen. Mit der Verlängerung der Nachweispflicht werde nun die Chancengleichheit für sie deutlich verbessert. Darüber hinaus hat sich aber auch die Zahl der gerichtlichen Verfahren seit den 1990er Jahren annähernd halbiert, während sich die Anzahl der Anwältinnen und Anwälte nahezu verdoppelt hat, wie aus den statistischen Untersuchungen der Kölner Berufsforscher hervorgeht.
Das Soldan Institut hat angesichts dieser Entwicklungen schon in den vergangenen Jahren darauf hingewiesen, dass die Satzungsversammlung auf die veränderte Situation sachgerecht reagieren muss. Deshalb begrüßt Prof. Dr. Matthias Kilian, Direktor des Soldan Instituts und des Instituts für Anwaltsrecht an der Universität zu Köln, den aktuellen Beschluss: „Die jetzt beschlossenen Änderungen können allerdings nur ein erster Aufschlag sein, um die FAO zukunftsfit zu machen. Eine diese Woche beginnende Befragung der Anwaltschaft durch das Soldan Institut hat das Ziel, durch Befragung sowohl von Fachanwälten als auch Nicht-Fachanwälten weiteren Änderungsbedarf in der FAO zu identifizieren und der Satzungsversammlung die für eine Reform erforderlichen Tatsachen an die Hand zu geben. Alle Rechtsanwältinnen und Rechtsanwälte sind daher herzlich eingeladen, sich an der Befragung zu beteiligen.“