Reno-Verband: „Die Reform war längst überfällig“

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Zum 1. August ist eine neue Ausbildungsverordnung in Kraft getreten. Die Auszubildenden sollen unter anderem mehr Englisch lernen und Kenntnisse im elektronischen Rechtsverkehr erwerben. Ein Gespräch mit Ronja Tietje (Vorstandsmitglied Reno-Bundesverband) über die Ausbildung und den Beruf.

Die Reform betrifft die Rechtsanwaltsfachangestellte, die Notarfachangestellte, die Rechtsanwalts- und Notarfachgestellte sowie PatentanwaltsfachangestellteZu den neuen Lerninhalten gehören unter anderem auch Grundzüge des Wirtschafts- und des Europarechts. Im Rahmen der betrieblichen Ausbildung wird noch mehr Wert auf die Betreuung von Mandanten und die Arbeit am praktischen Fall gelegt, auch das Thema „Umweltschutz in der Kanzlei“ sieht der Ausbildungsrahmenplan vor. „Die Reform war längst überfällig“, sagt Ronja Tietje, Vorstandsmitglied des ReNo-Bundesverbandes. „Die bisherige Ausbildungsverordnung stammte aus dem Jahr 1987, vieles ist einfach nicht mehr zeitgemäß gewesen.“
Von der Reform erhoffen sich sie und viele ihrer Kolleginnen, dass die vier Berufe für die jungen Schulabgänger wieder attraktiver werden. Momentan ist das noch nicht der Fall. Die Ausbildungszahlen sind in den vergangenen Jahren drastisch zurückgegangen.

Immer weniger Auszubildende

Nach Statistiken der Bundesrechtsanwaltskammer wurden 2014 insgesamt 5.158 Rechtsanwalts- und Notarfachangestellte ausgebildet, 2013 waren es 5.433 und 2004 noch 8.150. Die rückläufigen Ausbildungszahlen haben dazu geführt, dass es zwar viele Stellenangebote, aber kaum Stellengesuche mehr gibt. Der Arbeitsmarkt für ReNos und die anderen Fachkolleginnen ist wie quasi leergefegt. Aber nicht nur die sinkenden Ausbildungszahlen sind ein Problem. Die gut ausgebildeten Fachkräfte sind auch in Wirtschaftsunternehmen heiß begehrt. Sie zahlen auch erheblich besser als viele Rechtsanwälte und Notare, weshalb viele Mitarbeiterinnen der Kanzlei den Rücken kehren.
Dem ReNo-Bundesvorstand ist dieses Problem nur allzu bekannt. „Wie oft höre ich Kolleginnen sagen, dass ihnen der Job Spaß macht, dass sie aber einfach von dem Gehalt nicht leben können“, erzählt Tietje. Besonders schlecht wird in ländlichen Gebieten gezahlt, vor allem in den östlichen Bundesländern.

Höheres Gehalt notwendig

Dem ReNo- Bundesvorstand sind auch Fälle bekannt, in denen die Gehälter eigentlich den gesetzlichen Mindestlohn unterschreiten würden, allerdings sind die Arbeitsverträge so geschickt gestaltet, dass kein Gesetzesverstoß vorliegt – schließlich sind die Arbeitgeber Juristen. Nach Meinung des Bundesverbandes sollte allerdings der Mindestlohn für den fachlich hoch qualifizierten Beruf der ReNo auch gar kein Thema sein und das Gehalt auch deutlich über dem Mindestlohn liegen. Damit würden sich auch einige Probleme wie die Abwanderung von Fachangestellten von selbst erledigen.
Die Ausbildungsvergütung ist ebenso bescheiden; je nach Bundesland liegen sie im dritten Lehrjahr zwischen 850 Euro an der Spitze und 320 Euro am unteren Ende. Bei diesen Zahlen handelt es sich um Empfehlungen für die Ausbildungsvergütungen von einzelnen Rechtsanwaltskammern.
„Bei einer Ausbildungsvergütung von 320 Euro im 3. Ausbildungsjahr muss man sich über sinkende Ausbildungszahlen nicht wundern“, sagt Tietje. Viele kleinere Anwaltskanzleien behaupteten zwar, dass sie keine höheren Gehälter für ihre Mitarbeiter aufbringen könnten, weil die Kanzlei einfach nicht genug abwerfen würde, berichtet sie weiter. Doch auch hier gäbe es ihrer Meinung nach Möglichkeiten. Über Fahrtkostenzuschüsse, mehr Freizeit oder steuerfreie Warengutscheine bis maximal 44 Euro im Monat könnte ein Ausgleich geschaffen werden. „Man darf auch nicht nur das Geld sehen, sondern muss das Arbeitsverhältnis als Gesamtpaket betrachten. Ein angenehmes Arbeitsklima, ein netter Chef machen auch viel aus“, sagt Tietje.
Neben einer angemessenen Bezahlung ist es jedoch im Moment ebenfalls absolut wichtig, den vier Berufen in der Öffentlichkeit ein attraktiveres Image zu geben. Die Ausbildungsreform ist dafür kein Allheilmittel – das weiß Ronja Tietje auch – aber sie ist ein wichtiger Schritt in die richtige Richtung.

Ronja Tietje

Rechts- und Notarfachwirtin Ronja Tietje ist im Bereich Kanzlei-Consulting, als Dozentin im Bereich Kanzleimanagement und als Fachbuchautorin tätig. Als Vorstandsmitglied des Reno Bundesverbandes hat sie als Bundessachverständigen im Novellierungsverfahren der ReNoPatAusbV an der Gestaltung der novellierten Berufsbilder aktiv mitgewirkt.