„Ich brauche die Herausforderung“

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Bettina Sievers hat im Sommer 2021 ihre eigene Rechtsanwaltsanwaltskanzlei in Brühl gegründet. Sie zeigt, dass man auch heute noch mit viel Engagement und Mut als Einzelanwältin erfolgreich sein kann. Beim Soldan Kanzleigründerpreis ist sie mit dem 3. Preis ausgezeichnet worden.

Sie sind erst auf Umwegen Rechtsanwältin geworden. Was hat Sie dazu bewogen, nach einer abgeschlossenen Ausbildung noch ein langes Jurastudium und Referendariat zu absolvieren?

Bettina Sievers: Nach meinem Realschulabschluss war damals Erzieherin mein Traumberuf gewesen. In meiner Ausbildung hat mich das Unterrichtsfach „Recht und Verwaltung“ besonders begeistert – ich wollte unbedingt mehr wissen. Um Jura studieren zu können, musste ich allerdings zunächst noch drei Jahre Schule und mein Abitur absolvieren. Nach meiner abgeschlossenen Erzieherinnen-Ausbildung habe ich damit begonnen. Gleich im Anschluss habe ich angefangen, Jura mit dem Schwerpunkt Arbeits- und Sozialrecht in Bonn zu studieren. Nach meinem 2. Staatsexamen habe ich dann zwei Jahre als angestellte Rechtsanwältin beim Sozialverband VdK Köln gearbeitet.

Profitieren Sie als Rechtsanwältin auch von Kompetenzen, die Sie während Ihrer ersten Ausbildung erworben haben?

Ja, ich habe durch meine Ausbildung als Erzieherin pädagogische und didaktische Kompetenzen entwickelt, die mir auch heute in meinem Beruf helfen. Das betrifft den Umgang mit meinen Mandaten, zum Beispiel wenn es darum geht, den genauen Sachverhalt zu ermitteln.

Ein Schwerpunkt Ihrer Kanzlei ist das Sozial- und Versicherungsrecht. Sie beraten aber auch im Arbeits- und Verkehrsrecht. Im Gegensatz zu vielen Kolleginnen und Kollegen verzichten Sie auf eine Spezialisierung. Warum?

Ich mag die Abwechslung und Herausforderung, welche das Anbieten von mehreren Rechtsgebieten in meiner Kanzlei mit sich bringt. Es freut mich, wenn Mandanten mit einer Sache zu mir kommen und mich später mit einem Anliegen aus einem anderen Rechtsgebiet erneut beauftragen. Meine Kanzlei zeichnet der persönliche Kontakt zur Mandantschaft aus und meine Leidenschaft für ihre Sache.  

Gerade für Verbraucher-Rechtsfragen gibt es heute viele Online-Portale. Fürchten Sie die Konkurrenz digitaler Lösungen?

Ich sehe für meine Kanzlei keine Bedrohung. Meine Mandantinnen und Mandanten schätzen gerade die persönliche Betreuung. Sie wollen gerade nicht die digitale Lösung. Meine Überzeugung ist, dass sich in der Zukunft zeigen wird, dass derartige Kanzleien, wie ich sie ausgerichtet habe, auf dem Markt fehlen werden.

Können Sie sich vorstellen, in Ihrer Kanzlei auch digitale Tools zu etablieren?

Ja, das kann ich mir sehr gut vorstellen, um den Sachverhalt digital aufzunehmen. Über die Einrichtung einer weiteren Website würde sodann die Aufnahme der erforderlichen Daten beispielsweise im Verkehrsrecht erfolgen und anschließend erhielten die betreffenden Personen dann eine persönliche Rückmeldung durch meine Kanzlei. Für die Etablierung solcher digitaler Tools fehlte mir bislang jedoch leider die Zeit.

Sie haben Ihre Kanzlei entgegen vieler Trends als Einzelkanzlei und ohne klare Spezialisierung gegründet. Was würden Sie anderen empfehlen, die mit der Selbständigkeit liebäugeln?

Man sollte sich nicht von den aktuellen Trends abhalten lassen. Als ich mit der Ausbildung zur Erzieherin begann, gab es sehr viele Erzieherinnen und Erzieher. Als ich mit dem Jurastudium begann, wurde viel über die Juristenschwemme geklagt. Heute sehen wir, dass sowohl Erzieherinnen und Erzieher als auch Juristinnen und Juristen in beträchtlicher Zahl gesucht werden. Es ist wichtig zu wissen, was man will und was einen glücklich macht. Ich genieße es, dass ich meine eigene Chefin bin. Meine Freude über die Auszeichnung mit dem Soldan Kanzleigründerpreis ist groß und ich bin sehr glücklich darüber, dass ich als Rechtsanwältin in meiner eigenen Kanzlei tätig sein kann.