Soll das Drittberatungsverbot für Syndikusanwälte gelockert werden?

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Das Berufsrecht der Anwälte ist in Bewegung. Seit Neuestem wird nun auch darüber diskutiert, ob die Beratung von Dritten für Syndikusanwälte etwas gelockert werden soll. Nach der Bundesrechtsanwaltsordnung (§ 46 Absatz 5 BRAO) dürfen Syndikusrechtsanwälte nur in Rechtsangelegenheiten ihres Arbeitgebers mit ganz engen gesetzlichen Ausnahmen tätig werden. Obwohl der Regierungsentwurf zur großen BRAO-Reform dieses Thema nicht behandelt hat, hat es bei der Anhörung im Rechtsausschuss des Bundestages eine größere Rolle gespielt. Inzwischen hat das Bundesjustizministerium angekündigt, die bestehenden Regelungen überprüfen zu wollen.

Auslöser der aktuellen Debatte ist ein Urteil, das der Senat für Anwaltssachen beim Bundesgerichtshof Ende 2020 gefällt hat. Danach dürfen Syndikusanwälte die Kunden ihres Arbeitgebers in geringfügigem Umfang selbst dann nicht rechtlich beraten, wenn sie selbst gar nicht gegenüber dem Kunden in Erscheinung treten. In dem vorliegenden Fall ging es um die Beratung von Außendienstmitarbeitern, die wiederum den direkten Kontakt zum Kunden hielten (Az.: AnwZ 1/20 vom 7.12.2020).

Die bestehende Gesetzeslage haben die Richter damit sehr streng ausgelegt: Danach dürfen Syndikusanwälte nicht Dritte, also Kunden ihres Arbeitgebers, beraten, selbst wenn es sich um Rechtsdienstleistungen handelt, die nach dem Rechtsdienstleistungsgesetz Nicht-Anwälten erlaubt sind, weil sie zu dem Berufs- und Tätigkeitsbild des Arbeitgebers gehören. In der Konsequenz dieses Urteils wird also der Syndikusanwalt, der eine fundierte juristische Ausbildung mit zwei Staatsexamina absolviert hat, schlechter gestellt als ein juristischer Laie.

„Diese Rechtsprechung stellt faktisch für eine Vielzahl von Syndikusrechtsanwälten ein Berufsausübungsverbot dar, das nach Auffassung vieler Berufsrechtsexperten einer verfassungsrechtlichen Überprüfung nicht standhält“, stellt der Bundesverband der Unternehmensjuristen (BUJ) in seiner Stellungnahme fest. In der Praxis bedeute dies, dass die nicht-anwaltlichen Arbeitgeber bei der Beratung ihrer Kunden nicht auf die fachlich unabhängige Rechtsexpertise ihrer Syndikusanwälte zurückgreifen könnten, selbst wenn die entsprechende Dienstleistung konform nach dem Rechtsdienstleistungsgesetz erbracht werde. Der Verband fordert daher eine Drittberatung „zumindest in untergeordnetem Umfang“ zuzulassen und die Norm § 46 Abs. 5 dahin zu ergänzen.

Diese Forderung stößt aber auch auf vehemente Kritik. Wenn Syndikusanwälte – auch nur in begrenztem Umfang – Kunden des Arbeitgebers Rechtsrat erteilen, würden diese davon ausgehen, dass sie von einem unabhängigen Anwalt beraten würden, warnt Dr. Henning Löwe, Hauptgeschäftsführer der Hanseatischen Rechtsanwaltskammer Hamburg. Durch eine Lockerung des Drittberatungsverbots würde somit „Rufausbeutung“ betrieben, so Löwe. Tatsächlich sei der Syndikusrechtsanwalt aber nicht dem Kunden, sondern dem Arbeitgeber verpflichtet. Damit seien Interessenkonflikte programmiert. Ein Rechtsanwalt könne nicht gleichzeitig unterschiedlichen Interessen denen des Arbeitgebers und denen der Kunden – dienen.

Darüber hinaus befürchtet er, dass mit der Erweiterung die Grenzen zwischen anwaltlicher und nicht-anwaltlicher Rechtsdienstleistung aufgeweicht würden. Das Problem besteht für ihn zum Beispiel darin, dass Syndikusanwälte dann Dritte beraten dürften, obwohl sie bei einem Arbeitgeber angestellt sind, der durch nicht-anwaltliches Kapital finanziert wird. Ein Kernwert der Anwaltschaft, das Fremdbesitzverbot, wäre dann nicht mehr aufrecht zu halten, befürchtet Löwe.

Es bleibt abzuwarten, zu welchem Ergebnis das Bundesjustizministerium kommt.