Stress ohne Ende? Kanzleimitarbeitende klagen über hohe Belastungen

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Schlafstörungen, Antriebslosigkeit, Schwierigkeiten, sich von der Arbeit zu lösen – das sind ernstzunehmende Anzeichen für eine Überlastung. Auf die Dauer gesehen können solche Symptome zu psychischen Erkrankungen, zum Beispiel Burn-out oder Depressionen führen. Die Zahl derjenigen, die darunter leiden, nimmt seit Jahren stetig zu, belegen die Statistiken der Krankenkassen. Auch unter den Kanzleimitarbeiterinnen und -mitarbeitern häufen sich Ausfälle aufgrund von Burn-outs, weiß Ronja Tietje aus ihrer Tätigkeit. Sie berät Kanzleien in Organisationsfragen und engagiert sich im ReNo-Bundesverband. „Aus falsch verstandener Loyalität zu ihrem Arbeitgeber arbeiten die Betreffenden über ihre Belastungsgrenze hinaus. In schweren Fällen fallen sie dann über einen längeren Zeitraum aus und können auch danach häufig nicht mehr zu den vorherigen Arbeitsbedingungen an ihren Arbeitsplatz zurückkehren. Oft geht eine Rückkehr mit der Reduzierung Arbeitszeiten einher“, hat sie beobachtet. Ein Grund für die Dauerbelastung im Kanzleialltag ist sicherlich dem anhaltenden Fachkräftemangel geschuldet. Wie aus dem zuletzt veröffentlichten STAR-Bericht 2022, dem Statistischen Berichtssystem für Anwälte hervorgeht, können in vielen Kanzleien offenen Stellen nur schwer oder gar nicht besetzt werden. Zudem sinkt bereits seit mehr als 20 Jahren die Zahl der Auszubildenden im Bereich ReFa.

Gleichzeitig ist in den meisten Kanzleien mehr als genug Arbeit vorhanden. „Trotz einer Personalunterdeckung wird häufig jedes Mandat angenommen, auch wenn es vielleicht gar nicht kostendeckend ist. In vielen Kanzleien findet überhaupt keine Kostenkalkulation statt.“, sagt Tietje.

Ein großes Problem für die Kanzleimitarbeiter ist zudem, dass in vielen Kanzleien das „digitale Büro“ und das „Papier-Büro“ parallel laufen und gepflegt werden. Die dadurch vorgenommenen Medienbrüche verursachen einen erheblichen Mehraufwand. Dabei könnte dieses Problem gelöst werden, in dem festgelegt wird, dass die digitale Akte führt und die Papierakte keinen Anspruch mehr darauf hat, vollständig zu sein. „Wenn man sich für eine Vorgehensweise entscheidet, spart das eine Menge Zeit“, sagt Tietje.

Sie empfiehlt, sich alle Prozesse in der Kanzlei genauer anzuschauen und zu analysieren, womit die Mitarbeiter viel Zeit verbringen. Nur so ließen sich die Arbeitsabläufe effizienter gestalten und Potenziale für Rationalisierungen aufspüren. Ein Beispiel ist zum Beispiel die Telefonannahme. Rufen viele Mandanten an, um sich lediglich über den Sachstand zu erkundigen, sollten sich bei der Mandatsannahme die Zeit genommen werden, dem Mandanten einen groben zeitlichen und fachlichen Abriss des Mandats zu geben. Beendet der Anwalt die Besprechung mit „sie hören kurzfristig von uns“, gibt es viel Spielraum für Interpretation und der Mandant versteht unter kurzfristig vielleicht 3 Tage und ruft am 4. Tag und fragt nach dem Sachstand. Hier sollte für den Mandanten von Anfang an Klarheit und Transparenz über Bearbeitungszeiten herrschen.

Ein anderes Beispiel sind „Mandatsannahmetools“. Vor dem Einsatz solcher Lösungen sollte allerdings strategisch überleget werden, welches Tool zur Kanzlei passt. „Es muss dann auch festgelegt werden, wer sich um dieses Aufgabenfeld kümmert. Das muss nicht die Anwältin oder der Anwalt, sondern können auch digital affine Mitarbeitende sein“, sagt Tietje. Dann sollte der Person aber auch ein gewisses Stundenkontigent in der Woche für dieses Projekt zugestanden werden, in der sie sich ausschließlich darum kümmern kann. Um der Überlastung am Arbeitsplatz vorzubeugen, können zudem Seminare hilfreich sein, die sich mit Stressbewältigung und Selbstorganisation befassen. Soldan bietet zum Beispiel regelmäßig Weiterbildungen zum Thema „Produktivitätssteigerung & Arbeitsentlastung“ an. Service-Lösungen, die Soldan im Rahmen des Fachsekretariats anbietet, können ebenfalls für Entlastung der Mitarbeiter sorgen. „Wichtig ist es, dass Arbeitgeber ein Ohr für die Belange ihrer Mitarbeiter haben und dass sie rechtzeitig reagieren, wenn sie bei ihnen Anzeichen für eine Überlastung erkennen“, mahnt Tietje.