Mehrere Kanzleianwälte, Unternehmensjuristen und Hochschulprofessoren haben sich zum Deutschen Vergütungsrat zusammengeschlossen. Sie wollen für mehr Transparenz und Fairness bei der Abrechnung anwaltlicher Leistungen sorgen. Gemeinsam haben sie einen Honorarkodex entwickelt, der Anhaltspunkte für die Honorargestaltung liefern soll. Dr. Alexander Steinbrecher, LL.M., Head of Group Corporate, M&A and Legal Affairs bei Bombardier Transportation, einem Unternehmen der Alstom-Gruppe, gehört dem Senat des Deutschen Vergütungsrats an. Im Folgenden erklärt er, warum er diese Initiative für wichtig hält.
Was läuft Ihrer Meinung nach schief bei der Abrechnung der anwaltlichen Leistungserbringung?
Dr. Alexander Steinbrecher: Die Abrechnung nach Zeitaufwand ist für Kanzleien sehr bequem, aber für Mandanten intransparent und wirtschaftlich unvernünftig. Denn je mehr Stunden, desto höherer das Honorar für den Anwalt. Es gibt für ihn daher keinen Anreiz, besonders effizient zu arbeiten.
Derzeit wird über die Ausweitung des anwaltlichen Erfolgshonorars viel diskutiert…
Dr. Alexander Steinbrecher: … und vor allem von der Bundesrechtsanwaltskammer vehement kritisiert. Ich halte diese pauschale Kritik am Erfolgshonorar für falsch und würde eine weitgehende Liberalisierung begrüßen. Aber der Rechtsdienstleistungsmarkt und die Anwaltschaft sind in Deutschland extrem beharrungsfreudig. Dabei muss sich die Art und Weise, wie Anwälte ihre Leistungen erbringen, dringend ändern. Andere Berater, zum Beispiel klassische Unternehmensberater oder die Big 4 der globalen Beratungsfirmen, nutzen vielmehr die technischen Möglichkeiten, visualisieren Probleme und Arbeitsergebnisse und konzentrieren sich mehr auf das Projektmanagement. Sie sind den Anwälten hier weit voraus.
Was muss sich Ihrer Meinung nach ändern?
Dr. Alexander Steinbrecher: Bei der Vertragsgestaltung müssen wir von der Manufaktur zur Serienproduktion übergehen. Es gibt überall denselben oder zumindest sehr ähnlichen Bedarf anVerträgen mit Kunden, Zulieferern, Dienstleistern und Partnern. Die Vertragsgestaltung und -erstellung lässt sich automatisieren. Bei Bombardier Transportation nutzt beispielsweise der Einkauf bei bestimmten Leistungen einen Vertragsgenerator und stellt sich die Dokumente selbst zusammen. Es ist so vieles voreingestellt, dass die Nutzer dabei nichts falsch machen können. Ein weiterer Vorteil ist, dass auf diese Weise sichergestellt wird, dass die Konzernstandards befolgt werden.
Kritiker führen jedoch immer an, dass solche Lösungen den Einzelfall gar nicht korrekt abbilden können.
Dr. Alexander Steinbrecher: Anwälte verkünden gern, dass Jura und Recht so kompliziert und unverständlich seien, dass es nur hochbezahlte Kolleginnen und Kollegen bewältigen können. Ich bin jedoch der Meinung, dass die Kunst gerade darin liegt, die Dinge zu vereinfachen und nutzerfreundlicher zu gestalten. Die User Experience ist bei Rechtsdienstleistungen bei weitem nicht so, wie sie sein könnte.
Wie können Anwälte Ihrer Meinung nach ihre Leistungen besser erbringen?
Dr. Alexander Steinbrecher: Anwälte sollten genau analysieren, welche Rechtsdienstleistungen sie für welche Mandanten anbieten. Sie sollten überlegen, wie sie ihre Leistungen nach Komplexität und Nachfragehäufigkeit clustern können und wie sie diese mit moderner Technik für den Mandanten einfacher, schneller und nutzerfreundlicher anbieten können. Bei dieser Vorgehensweise vergünstigt sich ihr Angebot bei vielen Rechtsdienstleistungen, die sich für einzelne Mandanten oder Mandantengruppen standardisieren, automatisieren und digitalisieren lassen. Sie werden diese Leistungen dementsprechend nicht mehr stundenweise abrechnen können.
Von allein werden die Anwälte nichts ändern…
Dr. Alexander Steinbrecher: …nein, die Nachfrage muss bedauerlicherweise von den Mandanten kommen. Sie sind aber oftmals einfallslos, weil sie noch nicht verstehen, welche kreativen und innovativen Möglichkeiten es für Rechtsdienstleistungen heute schon gibt. Dabei habe ich noch nicht erlebt, dass sich Kanzleien auf ein Angebot nicht eingelassen haben. Es gibt so viele verschiedene Möglichkeiten, die anwaltliche Leistung abzurechnen.
Wie könnten alternative Vergütungsmodelle aussehen?
Dr. Alexander Steinbrecher: Für wiederkehrende Standardthemen und repetitive Fragestellungen bietet es sich beispielsweise an, mit der Kanzlei einen Retainer, also ein Grundhonorar, über einen bestimmten Zeitraum – Monat, Quartal oder Jahr – zu vereinbaren. Beim Projekt- oder Transaktionsgeschäft können die einzelnen Schritte zum Festreis vergütet oder ein gesamter Festpreis vereinbart werden. Zudem halte ich gerade bei Transaktionen auch ein Erfolgshonorar für sinnvoll, das die Anwälte belohnt, wenn das Ziel schneller als ursprünglich geplant erreicht wird.
Wie will der Vergütungsrat auf die anwaltliche Preisgestaltung einwirken?
Dr. Alexander Steinbrecher: Wir setzen uns für mehr Transparenz, Nachhaltigkeit und Fairness in der Preisgestaltung ein. Der Honorarkodex soll die Parteien dabei unterstützen. Er bildet die Prinzipien, Werte, Ethik sowie moderne Modelle der Preisgestaltung ab. Dabei fließen wissenschaftliche Erkenntnisse ebenso ein wie aktuelle Marktpraxis und neue Beratungsmodelle, zum Beispiel Legal Tech.
Der Vergütungsrat vergibt auch ein Siegel, das er sich bezahlen lässt. Ist das sinnvoll?
Dr. Alexander Steinbrecher: Anwälte, Kanzleien oder Sozietäten können sich bescheinigen lassen, dass sie nach dem Kodex arbeiten und dies mit dem Siegel öffentlichkeitswirksam darstellen. Wer sich daran stört, muss sich auch fragen, wie es um diese ganzen Rankings auf dem Anwaltsmarkt bestellt ist. Eine Schwäche dieses Siegels ist, dass bislang keine Überprüfung stattfindet. Aber wir stehen in unseren Bemühungen um transparente und zeitgemäße Anwaltsvergütung zugegeben noch am Anfang.