„Anwälte müssen weiterhin arbeitsfähig sein“

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Das bundesweit verhängte Kontaktverbot stellt auch die deutsche Anwaltschaft vor große Herausforderungen. Zwar dürfen die Menschen noch das Haus verlassen, um zu arbeiten. Gleichwohl werden Anwältinnen und Anwälte die Kontakte zu ihren Mandanten auf das Nötigste beschränken. Welche Vorkehrungen sie darüber hinaus in der Corona-Krise treffen sollten, erklärt Rechtsanwalt Martin W. Huff, Geschäftsführer der Rechtsanwaltskammer Köln.

Wie sollen sich Anwältinnen und Anwälte auf einen eventuellen Quarantäne- oder Krankheitsfall vorbereiten?

Martin W. Huff: Rechtsanwälte sind gesetzlich – gemäß § 53 Abs. 1 BRAO – dazu verpflichtet, für ihre Vertretung zu sorgen, wenn sie länger als eine Woche daran gehindert sind, ihren Beruf auszuüben oder wenn sie sich länger als eine Woche von ihrer Kanzlei entfernen wollen oder müssen. In der derzeitigen Situation halte ich es aber für wenig hilfreich, nur einen Sozius mit der Vertretung zu beauftragen, da sich eine Quarantäne mit hoher Wahrscheinlichkeit auf die ganze Kanzlei erstrecken wird. Es sollte überlegt werden, welche Kollegen außerhalb vertrauenswürdig und dazu bereit sind. Anwältinnen und Anwälte sollten ebenfalls darauf achten, dass sie von zuhause arbeitsfähig sind und über die entsprechende technische Ausrüstung verfügen wie Laptop, Kartenlesegerät, etwa für den Zugang zum beA (dabei auch an die beA_Karte denken), Telefonumleitung etc.. Sie sollten auch rechtzeitig überprüfen, ob sie in einem Vertretungsfall die Zugriffsrechte auf das beA sinnvoll vergeben haben oder selber zugreifen können. So sollte jeder Rechtsanwalt zum Beispiel einen Fristverlängerungsantrag oder einen Teminsverlegungsantrag selber per Fax oder über das beA stellen können.

Auch im Krankheits- oder Quarantänefall wird noch jemand in der Kanzlei vorbeischauen müssen, oder?

Martin W. Huff: Ja, deshalb sollten Notfallpläne existieren. Sie müssen regeln, wer sich zum Beispiel um die Eingangspost kümmert, die Fristen notiert, Zahlungseingänge überwacht und notwendige Auszahlungen wie Gerichtskostenvorschüsse übernimmt. Dabei muss man auch bei der Kommunikation im Homeoffice auf sichere Kommunikations- und Übertragungswege achten. Berufsrechtliche Pflichten wie die anwaltliche Verschwiegenheit gelten auch in solchen Ausnahmesituationen fort! Sie sind vielleicht sogar noch notwendiger als vorher.

Und wenn in dieser Ausnahmesituationen doch etwas aus dem Ruder läuft. Wie kann der Anwalt erreichen, dass die Sache in den vorherigen Stand versetzt wird?

Martin W. Huff: Nur wer ausreichende Maßnahmen nachweisen kann, wird eine Wiedereinsetzung in den vorigen Stand erreichen können. Die Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs ist dazu sehr eindeutig. „Ein Rechtsanwalt muss allgemeine Vorkehrungen dafür treffen, dass das zur Wahrung von Fristen Erforderliche auch dann unternommen wird, wenn er unvorhergesehen ausfällt. Dabei hat der Einzelanwalt für den Fall einer Verhinderung im Rahmen der ihm obliegenden allgemeinen Vorkehrungen selbst für eine anwaltliche Vertretung Vorsorge zu treffen.“ (Az.: XII ZB 36/19 vom 31.7.2019). Praktisch bedeutet dies, dass es Vertretungsregelungen für die Mitarbeiter geben muss.

Seminare, Kongresse und andere Fortbildungsveranstaltungen fallen derzeit und eventuell auch noch für längere Zeit aus. Wie sollen die Anwältinnen und Anwälte ihre Fortbildungspflicht erfüllen?

Martin W. Huff: Es gibt verschiedene Möglichkeiten, über Online-Seminare oder Webinare die Fortbildungspflicht zu erfüllen. Zudem können bis zu fünf Stunden der Fortbildungspflicht über das Selbststudium erfüllt werden. Dafür müssen die Kolleginnen und Kollegen allerdings auch eine Lernerfolgskontrolle bestehen. In besonderen Ausnahmesituationen, etwa im Krankheitsfall, können Anwältinnen und Anwälte bei ihrer jeweiligen Rechtsanwaltskammer auch einen Antrag stellen, dass ihnen die Frist für ihre Nachweispflicht verlängert wird. Darüber entscheidet dann die Kammer nach ihrem Ermessen. Die Rechtsanwaltskammer Köln hat zum Beispiel entschieden, den Widerruf einer Fachanwaltsbezeichnung nicht auf ausgefallene Fortbildungen im Jahr 2020 zu stützen.

Gibt es auch Überlegungen, die Fortbildungspflicht zumindest für dieses Jahr ganz auszusetzen?

Martin W. Huff: Diese Überlegungen existieren tatsächlich. Das hängt davon ab, wie lange die Corona-Krise noch anhält. Die Satzungsversammlung wird auf einer ihrer nächsten Sitzungen darüber diskutieren, sobald sie denn stattfinden kann. Die 2. Sitzung der laufenden Satzungsversammlung findet jedenfalls erst einmal nicht statt.