Fehlerquellen bei der Umsetzung von Legal Tech-Projekten: Bloß keine zu konkreten Vorstellungen!

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Viele Kanzleien und Unternehmensrechtsabteilungen arbeiten an Legal Tech-Projekten, um Arbeitsprozesse effizienter zu gestalten. Dabei können sie jedoch vieles falsch machen. Maximilian Mense berichtet im Folgenden von den häufigsten Fehlern. Er ist wissenschaftlicher Mitarbeiter an der School of Entrepreneurship des Hasso-Plattner Instituts und promoviert an der Universität Leipzig im Bereich Legal Tech. Zuvor hatte er sich in Kanzleien und Unternehmen mit der Beschaffung und Implementierung von Legal Tech Software beschäftigt.

Was ist nach Ihren Beobachtungen der häufigste Fehler, den Kanzleien und Rechtsabteilungen begehen, wenn sie Legal Tech-Projekte umsetzen wollen?

Maximilian Mense: Das mag vielleicht paradox klingen. Aber das häufigste Problem ist, dass die Kanzleien oder Rechtsabteilungen viel zu konkrete Vorstellungen von der Lösung ihrer Aufgabe im Auge haben. Sie versuchen, einen analogen Prozess, der in der Praxis häufig vorkommt, zu digitalisieren oder zu automatisieren in der Hoffnung, dass die Lösung effizienter und kostensparender ist. Viel sinnvoller wäre es jedoch, den Prozess neu zu denken und zu sondieren, was es dazu am Markt möglicherweise schon gibt. Die Digitalisierung analoger Prozesse, ohne strukturelle Änderungen des Prozesses an sich, führt selten zu Verbesserungen. Die Probleme werden dann häufig nur digitalisiert und nicht behoben. Zudem sollte gemessen werden, wo und in welchen Prozessen das größte Automatisierungspotenzial vorhanden ist. Bestenfalls wird die Entscheidung zur Automatisierung aufgrund fundierter Daten getroffen.

Wie verhält es sich mit der Aufstellung der Projektteams? Können daraus auch Fehler entstehen?

Maximilian Mense: Auf jeden Fall. Gerade in mittelständischen und auch in größeren Kanzleien haben viele Partner ihr eigenes kleines Königreich und ihre eigenen Vorstellungen. Eine Legal Tech-Lösung, die nachher alle nutzen sollen, kann nur erfolgreich sein, wenn auch alle mitziehen. Es hilft nichts, wenn sich beispielsweise nur eine Praxisgruppe damit beschäftigt. Es muss vielmehr ein breiter Konsens bestehen. Denn schließlich sind mit einem Legal Tech-Projekt auch Unsicherheiten verbunden. Es wird ein Prozess angestoßen, ohne dass zumindest am Anfang genau feststeht, wo die Reise hingeht.

Aber viele Köche verderben den Brei, heißt ein altes Sprichwort. Gilt das nicht für Legal Tech-Projekte?

Maximilian Mense: Wichtig ist, dass alle Partner, Associates und übrigen Mitarbeiter, die in den neu entwickelten Prozess eingebunden werden, auch bereit sind ihre Prozesse umzustellen. Das bedeutet aber nicht, dass sie alle bei jeder Entscheidung im Rahmen des Projekts mit einbezogen werden müssen. Eine Person, die ein gutes Standing in der Kanzlei besitzt und für das Projekt brennt, sollte die Verantwortung tragen. Weitere Partner sollten dann nur etappenweise Mitspracherechte erhalten. Es ist natürlich unerlässlich sich vorher darüber zu verständigen, wer den Hut auf hat und wie Entscheidungen im Verlauf des Projekts getroffen werden. Sehr zu empfehlen ist es, wenn bereits zu Beginn ein konkretes Budget für das Projekt festgelegt wird.

Unterscheiden sich Rechtsabteilungen und Kanzleien voneinander in der Art, wie sie Legal Tech-Projekte umsetzen?

Maximilian Mense: Ein wesentlicher Unterschied liegt sicherlich bei den Erwartungen an das Projekt. Kanzleien wollen in der Regel einen Mehrwert schaffen, den sie dann auch an ihre Mandanten weitergeben können. Sie wollen also die Lösung in ein Produkt einfließen lassen, an dem verschiedene Parteien beteiligt sind. Diese Herausforderung müssen Rechtsabteilungen nicht bewältigen. Ihnen geht es vornehmlich darum, Ressourcen in ihrer Organisation zu sparen. Daher sind die Anforderungen an die Lösung meistens weniger komplex. Zudem sind die Unternehmensjuristen daran gewöhnt, mit verschiedenen Abteilungen im Unternehmen zusammenzuarbeiten. Außerdem können sie auf konzerninterne Hilfe und eventuell auch auf Erfahrungen mit Digitalisierungsprozessen in anderen Konzernbereichen zurückgreifen. Das macht vieles einfacher.

Welche Fehler werden begangen, wenn die Legal Tech-Lösung bereits steht?

Maximilian Mense: Es wird in vielen Fällen nicht nachgehalten, ob die neue Lösung oder Arbeitsweise angenommen wird. Nur weil eine kleine Gruppe etwas entwickelt hat, bedeutet es noch lange nicht, dass andere es auch nutzen. Am besten sollte schon in der Testphase geprüft werden, wie die Mitarbeiter, Kollegen und Mandanten mit der neuen Entwicklung umgehen. Außerdem sollten schon vor der Einführung Messwerte definiert werden, anhand derer man nachher auch feststellen kann, ob die erhoffte Verbesserung eingetreten ist.

Maximilian Mense ist wissenschaftlicher Mitarbeiter an der School of Entrepreneurship des Hasso-Plattner Instituts und promoviert an der Universität Leipzig im Bereich Legal Tech.