Seit Jahren sinkt die Zahl der Auszubildenden im Bereich Rechtsanwalts- und/oder Notarfachangestellten. Kanzleien finden keinen qualifizierten Nachwuchs mehr. Hinzu kommt, dass viele angehende ReFas und ReNos ihre Ausbildung abbrechen oder aber nach ein paar Berufsjahren in andere Tätigkeiten wechseln. Wie kann es angesichts dieser dramatischen Entwicklung gelingen, junge Menschen langfristig für die Tätigkeit als Rechtsfachangestellte oder Rechtsfachangestellter zu begeistern und die Ausbildung zu einem attraktiven Karriereschritt zu machen? Zusammen mit der Kammer Berlin hat die Bundesrechtsanwaltskammer zu einer Veranstaltung am 28. November eingeladen, um diese wichtige Frage mit Experten und Betroffenen zu diskutieren.
Dabei wurde sehr schnell deutlich, dass sich in der Arbeitsbeziehung und dem Umgang untereinander in der Kanzlei etwas ändern muss. Die Wahrnehmung, wie sich Anwältinnen und Anwälte selbst als Arbeitgeber sehen, weicht deutlich von der Fremdwahrnehmung durch die eigenen Mitarbeiter ab. Das geht auch aus den Befragungen des Soldan Instituts hervor, das insgesamt drei umfassende Studien zu dem Themenkomplex „Mitarbeiter in Rechtsanwaltskanzleien“ durchgeführt hat. (Personal in Anwaltskanzleien Band 21, Rechtsanwälte und ihre Mitarbeiter Band 22, Berufsbildung in Anwaltskanzleien Band 23).
Was können Anwältinnen und Anwälte nun unternehmen, um die Mitarbeiterbindung in ihrer Kanzlei zu stärken? Nach den Worten von Prof. Dr. Mathias Kilian, Direktor des Soldan Instituts, spielt zwar die Gehaltszufriedenheit eine Rolle, aber nicht die entscheidende. Faktoren wie die Verbesserung der Arbeitsbeziehungen, der Kommunikation und mehr soziale Unterstützung seien sehr wichtig, damit die Mitarbeiterbindung und Arbeitszufriedenheit steigt. Gerade Auszubildende wünschen sich in der Kanzlei einen festen Ansprechpartner, der sich Zeit für sie nimmt. Sie wollen zudem Aufgaben erledigen, die sie nicht über- aber auch nicht unterfordern.
Das bestätigte auch Jasmin Troitsch, die sich im zweiten Ausbildungsjahr zur Rechtsanwaltsfachangestellten befindet. Viele ihrer Mitschülerin in der Berufsschule beklagten sich, weil sie häufig als billige Arbeitskraft eingesetzt würden und die praktische Ausbildung zu kurz käme. Andere beschwerten sich hingegen darüber, dass ihnen gleich zu Beginn der Ausbildung in der Kanzlei Aufgaben übertragen würden, die sie noch gar nicht bewältigen könnten und die auch erst viel später auf dem Lehrplan in der Berufsschule stünden. Troitsch war auch nicht zufrieden in ihrer ersten Ausbildungskanzlei gewesen und hatte deshalb die Stelle gewechselt. Vor allem die zeitaufwändige analoge Arbeitsweise mit Wiedervorlagen und Ablage habe sie in ihrer ersten Ausbildungskanzlei gestört. Für junge Menschen seien digitale Tools heute selbstverständlich, deshalb möchten sie auch in ihrem Arbeitsalltag nicht darauf verzichten, sagte Troitsch.
Ludmilla Emilie Kuhlen, Rechtsanwältin und Ausbilderin, hob ebenfalls hervor, dass es wichtig sei, digitale Kompetenzen und moderne Arbeitsmethoden in die Ausbildung zu integrieren. Als Ergänzung oder Ausgleich zu den Lehrinhalten der Berufsschule könnten Kanzleien auch zusätzliche Bildungsangebote unterbreiten. Kuhlen präsentierte einige Ideen, um mehr Anreize und Bindungen im Beruf zu schaffen. Gute Leistungen und Noten könnten zum Beispiel belohnt werden. Die Kanzlei könnte ihre Auszubildenden mit Bücherbeihilfen unterstützen. Auch gemeinsames Sporttreiben, könnte sich positiv auf das Betriebsklima auswirken. So berichtete sie von gemeinsamen Yoga-Stunden in ihrer Kanzlei. Es gäbe viele Möglichkeiten, die Wertschätzung für die Mitarbeiter und Auszubildenden zum Ausdruck zu bringen, erklärte Kuhlen. Nach Auffassung von Franz-Josef Rochel, Mediator (RAK) und Supervisor, könne sich das Potential junger Menschen nur durch Wertschätzung entfalten. Um das eigene berufliche Handeln, gerade in der Funktion des Chefs zu reflektieren, könne eine Supervision wertvolle Erkenntnisse liefern, empfahl er.
Die Veranstaltung der BRAK hat deutlich gezeigt, dass das Problembewusstsein sowie Lösungsansätze bereits vorhanden sind. Jetzt muss es darum gehen, diese auch in die Tat umzusetzen.
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