KI in der Anwaltskanzlei –  eher ein Segen als ein Fluch

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KI in der Anwaltskanzlei

Künstliche Intelligenz (KI) ist längst nicht mehr nur etwas für Spezialisten. Seit dem fulminanten Start von Chat GPT ist das Thema in der breiten Öffentlichkeit angekommen. Über KI in der Anwaltskanzlei sowie den damit verbundenen Chancen und Risiken wird Reinhold Okon, EDV- und Datenschutzbeauftragter und langjähriger Referent in den Soldan Rechtsfachwirt-Seminaren, auf dem Deutschen Rechtsfachwirttag (DRT) sprechen. Die beliebte Veranstaltung findet dieses Jahr am 17. und 18. November in Kassel statt.

Wo sehen Sie derzeit die besten Einsatzmöglichkeiten von KI-basierten Systemen wie Chat GPT in der Anwaltskanzlei?

Reinhold Okon:  Ich denke, dass Chat GPT und andere ähnliche Systeme vor allem im persönlichen Arbeitsumfeld des Anwalts oder der Anwältin eingesetzt werden können. Chat GPT kann sie dabei unterstützen, Schriftsätze zu formulieren, oder umfangreiche juristische Texte zusammenzufassen.

Kann Chat GPT auch anwaltliche Arbeiten selbständig erledigen?

Okon: Nein, die KI kann (noch) nicht eigenständig juristische Arbeiten erledigen. Das sind jedenfalls meine persönlichen Erfahrungen, die ich in vielen Versuchen gesammelt habe. Es kommen einfach noch zu viele fehlerhafte oder falsche Dinge dabei heraus. Chat GPT kann den Anwalt oder die Anwältin auf keinen Fall ersetzen.

Gilt das auch für andere KI-basierte Systeme?

Okon: Nach meinen Erfahrungen trifft das ebenfalls auf andere Systeme wie Monica oder Google Bard zu. Bard ist der Chat-basierte KI-Dienst von Google. Er ist ganz gut, funktioniert aber bisher nur auf Englisch.

Sehen Sie noch andere Risiken, wenn KI  in der Anwaltskanzlei eingesetzt wird?

Okon: Ich halte derzeit vor allem den Datenschutz für problematisch. Es fehlen die Datenquellen, Informationen über die Algorithmen und Informationen darüber, ob Daten an Dritte etwa aus kommerziellen Gründen weitergegeben werden. Jedenfalls wird die Sicherheit der Daten nicht garantiert. Für eine Kanzlei, die im Strafrecht oder Familienrecht tätig ist, birgt das besonders hohe Risiken. Werden „sensible Daten“ (Art. 9 DSGVO) verarbeitet, so setzt dies immer eine explizite Einwilligung des Betroffenen voraus.

Welche Einsatzmöglichkeiten für KI-basierte Systeme gibt es Ihrer Meinung nach im Assistenzbereich? 

Okon: Es gibt zum Beispiel in der Kommunikation, durch intelligente Chatbots, aber auch im Bereich der Anrufsteuerung, gute Einsatzmöglichkeiten. Solche Systeme können sich in einer Kanzlei dazu eignen, um zielgerichtete Fragen zu stellen und das Mandat aufzunehmen. Es gibt schon Angebote, bei denen die künstliche Stimme nicht von einer realen menschlichen Stimme zu unterscheiden ist.

Reagiert ein Anrufer nicht enttäuscht oder gar wütend, wenn er erfährt, dass er nur mit einem Roboter kommuniziert hat?

Okon: Selbstverständlich muss man die Nutzer darüber aufklären. Unsere Gesetze verlangen diese Transparenz. Der Nutzer muss auch selbst entscheiden können, ob er diesen Kommunikationsweg mit einem „künstlichen Menschen“ wählen will. Es wird für die Kanzleien eine Herausforderung werden, diesen Anforderungen an Aufklärung und Transparenz zu genügen.

Muss denn die ReFa fürchten, durch ein KI-basiertes System ersetzt zu werden?

Okon: Nein auch hier gilt: Systeme wie Chat GPT werden auch in der näheren Zukunft die ReFa nicht ersetzen. In den meisten Fällen erledigen sie die Aufgaben besser, fehlerfreier und dadurch auch noch schneller.

Fluch oder Segen – was bedeutet KI in der Anwaltskanzlei für Sie?

Okon: Für mich ist sie im Moment eher ein Segen, weil sie mich bei kleineren Aufgaben unterstützt und ich damit herumspielen, sie ausprobieren kann. Ein Fluch kann sie für mich nicht sein, weil sie einfach noch zu wenig kann. Wer das weiß und beachtet, kann damit also auch noch keine groben Fehler damit begehen.