Mit einem Qualitätssiegel den Fachkräftemangel bekämpfen

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Viel ist über den Mangel an ReFas und die sinkenden Ausbildungszahlen in den vergangenen Jahren berichtet und geklagt worden. Richtig viel passiert ist lange Zeit jedoch nichts. Das ändert sich gerade mit einem neuen Qualitätssiegel „Azubi-geprüft“. Die Rechtsanwaltskammer Koblenz hatte 2023 die Initiative gestartet, um die Qualität der Ausbildung zur Rechtsanwaltsfachangestellten zu verbessern und dem Fachkräftemangel entgegenzuwirken. Inzwischen sind sieben weitere regionale Kammern ihrem Beispiel gefolgt und haben über die Kammer Koblenz die Lizenz für die Vergabe des Siegels erhalten. Dabei handelt es sich um die Kammern in Freiburg, Karlsruhe, Sachsen, Bamberg, Nürnberg, Berlin und München.

Rechtsanwältin Melanie Theus, Geschäftsführerin der Kammer Koblenz, freut sich darüber, dass ihre Initiative auf so viel Resonanz stößt und vor allem darüber, dass sich die Ausbildungssituation bereits in ihrem Kammerbezirk deutlich verbessert hat. „Nach einem guten Jahr hat sich die Abbrecherquote um 20 Prozent verringert. Die Auszubildenden nehmen die Kammer erstmals als Ansprechpartner wahr, zum Beispiel wenn sie ihren Ausbildungsplatz wechseln wollen oder sie andere Probleme mit ihrem Arbeitgeber haben. Das ist vorher nicht der Fall gewesen. Die ganze Kommunikation mit den Auszubildenden hat sich durch das Siegel sehr positiv verändert“, berichtet Theus. Den Anstoß für ihre Initiative hatte ein Bericht im BRAK-Magazin gegeben, den Theus zusammen mit der BRAK-Geschäftsführerin Dr. Tatjana Nitschke über die Ausbildungssituation von Refas unter dem Titel „Alarmstufe rot“ verfasst hatte.

„Mir wurde bewusst, dass sich etwas ändern muss. Sehr viel ist darüber berichtet worden, was alles schlecht läuft bei der Ausbildung der Fachangestellten. Die guten Ausbildungskanzleien und Arbeitgeber sind dagegen im Hintergrund geblieben. Mit dem Qualitätssiegel wollen wir gute Ausbildungskanzleien herausstellen und auch das Image der Kanzleien als Arbeitgeber positiver besetzen“, sagt Theus.

Dass es durchaus Potenzial für Verbesserungen gibt, geht auch aus dem aktuellen Statistischen Berichtssystem für Rechtsanwältinnen und Rechtsanwälte (STAR) hervor, welches das Institut für freie Beruf in regelmäßigen Abständen für die Bundesrechtsanwaltskammer durchführt. Danach bilden ohnehin nur noch 20 Prozent der befragten Kanzleien überhaupt Fachangestellte aus und für diejenigen, die ausbilden wollen, ist es nicht leicht, überhaupt Auszubildende zu finden. So gaben 60 Prozent der Befragten mit freien Ausbildungsplätzen in den vergangenen Jahren an, dass ihre Kanzlei schon einmal einen freien Ausbildungsplatz ausgeschrieben, aber hierfür keine Bewerbung erhalten habe. Vor allem die Kammern Berlin, München, Celle, Freiburg und Sachsen gaben häufiger an, davon betroffen zu sein.

Mit dem Siegel „Azubi geprüft“ können die Kanzleien nun nach außen demonstrieren, dass ihnen die Ausbildung der Fachangestellten am Herzen liegt und sie sich dafür einsetzen, dass diese auch erfolgreich abgeschlossen wird. Lizenz- oder Verwaltungsgebühren erhebt die Kammer Koblenz für das Siegel nicht. Damit sie damit werben dürfen, müssen die Kanzleien sich aber den Lizenzbedingungen unterwerfen, denn die Kammer hat das Siegel markenrechtlich geschützt. Zu den Grundvoraussetzungen gehört es, dass ein Berufsträger aus der Kanzlei zwei Führungskräfteseminare von jeweils drei Stunden absolvieren muss, davon eines online und eines in Präsenz. In der Kammer Koblenz bietet eine Weiterbildungseinrichtung, die die Kammer als Betrieb gewerblicher Art unterhalb der Kammer gegründet hat, diese Seminare an. „Wir erhalten auch Anfragen von Kanzleien aus benachbarten Kammern, die an diesen Seminaren teilnehmen möchten, weil es in ihrem Kammerbezirk diese Möglichkeiten nicht gibt. Sie können dann auch beide Seminare als Online-Veranstaltung absolvieren.“ Ohne Führungskräfteseminar gebe es das Siegel allerdings nicht, betont Theus und berichtet, dass sie aus diesem Grund auch schon mal einen Antrag abgelehnt habe. Eine weitere Grundvoraussetzung sei, dass ein Azubi einen „Zufriedenheits-Fragebogen“ ausfüllen und unterschreiben müsse. Darin geht es um klassische Grundsätze der Ausbildung, etwa ob die Ausbildungskanzlei auch die Bücher bezahle.

Das Ausbildungssiegel ist immer für drei Jahre gültig, wobei eine Verlängerung möglich sei. Dann müsssen die Voraussetzungen neu nachgewiesen werden, eine Anschlusszertifizierung muss dann aber durch einen anderen Azubi unterstützt werden. „Sollten die Voraussetzungen entfallen, kann das Siegel auch wieder entzogen werden. Darüber hinaus stehen Kanzleien, die das Siegel führen, somit unter einem gewissen Druck, dass Auszubildende keinen Anlass für Beschwerden haben.“

Die Kammer Koblenz hat auch ein weiteres Siegel eingeführt: „ReFa-geprüft“ soll gute Arbeitgeberkanzleien auszeichnen. Um das Siegel zu erhalten, muss die Mehrheit der Angestellten (ausgenommen Auszubildende, Rechtsanwälte und sonstige Juristen), darunter mindestens eine/n in der Kanzlei seit einem Jahr beschäftigte/n Rechtsanwaltsfachangestellte/n, einen Zufriedenheitsbogen ausfüllen. Zudem muss ein Berufsträger der Kanzlei an einem Führungskräfte-Coaching von fünf Stunden teilnehmen. Darüber hinaus muss die Kanzlei sich auch zu den Leitsätzen bekennen, die sich vor allem um den wertschätzenden Umgang drehen. Dieses Gütesiegel für Arbeitgeber vergeben neben der Kammer Koblenz bislang aber nur die Rechtsanwaltskammern Freiburg, Karlsruhe und Sachsen.  

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