Studentische Rechtsberatung – unerwünschte Konkurrenz für Rechtsanwälte?

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35 der 39 juristischen Fakultäten in Deutschland  verfügen mittlerweile über so genannte „law clinics“. Nach diesem erstmals in den USA etablierten Ausbildungskonzept wenden Studierende nach entsprechender Schulung ihre juristischen Kenntnisse in der Praxis an und beraten Rechtssuchende in der Universität oder in kooperierenden Einrichtungen.

Auf diese Weise sollen den Studierenden praxisnah Kompetenzen etwa im Bereich Gesprächsführung, Rhetorik oder Verhandlungsmanagement vermittelt werden. Während bis zur Reform des Rechtsdienstleistungsrechts law clinics in Deutschland in einer rechtlichen Grauzone agierten, sind sie nun zulässig, solange die studentischen Rechtsberater von Volljuristen hinreichend angeleitet und überwacht werden.

Typisch für die law clinics ist, dass sie nur geringwertige Streitigkeiten mit einem Wert von maximal einigen wenigen Hundert Euro annehmen – zum Teil mit Blick auf das dann geringe Haftungsrisiko, zum Teil, um unerwünschten Wettbewerb mit Rechtsanwälten zu vermeiden. Diese Selbstbeschränkung dürfte ein Grund dafür sein, dass mit 90 % die große Mehrheit der Rechtsanwälte die Aktivitäten der law clinics bisher nicht wahrgenommen hat. Das geht aus einer Untersuchung des Soldan Instituts hervor, die die Kölner Forschungseinrichtung auf dem Deutschen Anwaltstag in Berlin vorgestellt hat. “Die law clinic-Szene entwickelt sich dynamisch und professionalisiert sich, so dass durchaus Konfliktpotenzial vorhanden ist”, stellt Institutsleiter Prof. Dr. Matthias Kilian fest.

Deutschlandweit sind nach der Untersuchung des Soldan Instituts zwei Konzepte etwa gleichrangig vertreten: Zum einen law clinics, die ein breites Spektrum von Rechtsgebieten abdecken und häufig nur einzelne Rechtsgebiete, insbesondere das Straf- und Steuerrecht, ausschließen, zum anderen solche Beratungsangebote, die sich auf ein Rechtsgebiet beschränken und bestimmte Zielgruppen in den Blick nehmen. Hier hat die Flüchtlingskrise dazu geführt, dass es mittlerweile an einem Drittel aller Jurafakultäten so genannte „Refugee Law Clinics“ gibt, von denen viele erst in 2015 oder 2016 eingerichtet wurden.

Law Clinics oft als Rechtsberatung vermarktet

Auffällig ist, dass law clinics häufig von wirtschaftsberatenden Großkanzleien gesponsert werden.  Von den  Aktivitäten der studentischen Rechtsberatung fühlen sich hingegen primär generalistisch tätige Einzelanwälte betroffen, die im Privatkundengeschäft aktiv sind. Nach Erkenntnissen des Soldan Instituts sind das mehr als zwei Drittel der Befragten aus der noch kleinen Teilgruppe der Anwälte, die die Aktivitäten der law clinics wahrnehmen. Die Vermarktung von law clinics als „studentische Rechtsberatung“ leistet nach Einschätzung von Institutsdirektor Kilian dieser Wahrnehmung als “unerwünschte Konkurrenz” weiter Vorschub: „Leider wird bei uns in Deutschland bislang das edukative Element von law clinics nicht hinreichend betont, so dass schnell der Eindruck entsteht, es handele sich um reine Rechtsdienstleistungsangebote. Unser Ausbildungssystem mit dem Endziel juristisches Staatsexamen ist hier Teil des Problems, weil es eine fachlich sinnvolle und für Studierende attraktive Integration von law clinics in universitäre Ausbildungsgänge sehr erschwert.“

Köln/Berlin, den 3.6.2016

Ansprechpartner:

Prof. Dr. Matthias Kilian
Tel.: 0221 5481 1123
Fax: 0221 5481 1125
Mobil: 0172 63 93 699
kilian@soldaninstitut.de

Hinweise für die Redaktionen:

Die Daten beruhen auf der Befragung von 1.200 Rechtsanwältinnen und Rechtsanwälten im Rahmen des Berufsrechtsbarometers 2015 des Soldan Instituts. Sie erfolgte im Sommer 2015.

Über das Soldan Institut:

Das Soldan Institut wurde 2002 als unabhängige Forschungseinrichtung gegründet. Ziel des von einem gemeinnützigen Verein getragenen Instituts ist die Erforschung der Strukturentwicklung der Anwaltschaft und der sich hieraus ergebenden Bedingungen für eine erfolgreiche und zukunftsorientierte Tätigkeit von Anwaltskanzleien. Das Institut betreibt eigene empirische Anwaltsforschung, deren Ergebnisse Rechtsanwälten, Institutionen der deutschen Anwaltschaft, politischen Entscheidungsträgern, Wissenschaftlern und einer breiten Öffentlichkeit zur Verfügung gestellt werden. Der gemeinnützige Trägerverein des Instituts wird von der Hans Soldan Stiftung, dem Deutschen Anwaltverein, der Bundesrechtsanwaltskammer und Wolters Kluwer Deutschland unterstützt. Der Institutsdirektor, Prof. Dr. Matthias Kilian, ist Inhaber einer Professur u.a. für Anwaltsrecht und anwaltsorientierte Juristenausbildung der Universität zu Köln.