Erste Hilfe bei Flugverspätungen kommt vom Chatbot

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Als erste Kanzlei in Deutschland hat die Anwaltskanzlei Ratis in Passau einen Chatbot installiert, mit dem Nutzer automatisch Entschädigungen für Flugverspätungen fordern können. „Ratisbot“, so der Name des Tools, fragt vollautomatisch die relevanten Daten des Vorgangs ab und erstellt dann im Namen des Mandanten ein Schreiben an die Fluggesellschaft. Wenn es sich um eine ausländische Fluggesellschaft handelt, erledigt das Programm auch gleich noch die Übersetzung.

Die Idee für diesen Chatbot stammt von Sven Galla, der seit 12 Jahren als selbständiger Rechtsanwalt tätig ist. Auf dem Anwaltszukunftskongress, der am 8. und 9. September in Düsseldorf stattfindet, wird er Ratisbot und das Konzept seiner Kanzlei Ratis vorstellen. Diese hat sich ausschließlich auf die Beratung von Menschen in besonderen Lebenssituationen spezialisiert. Neben der Entschädigung von Flugverspätungen gehören dazu auch der Widerruf von Verbraucherdarlehen und Lebensversicherungen, die Kündigung von Bausparverträgen sowie des Arbeitsverhältnisses.

Ratisbot kümmert sich bislang nur um die Flugverspätungen und ist damit in einem Rechtsgebiet aktiv, auf dem bereits viele Legal-Tech-Angebote wie flightright.de, wirkaufendeinenflug.de oder fairplane.de um die geschädigten Fluggäste miteinander konkurrieren. Aber während die anderen Anbieter einen Teil der Entschädigung als Erfolgshonorar einbehalten, kostet Ratisbot den Nutzer überhaupt nichts. Erst wenn die Fluggesellschaft auf das automatisch erstellte Schreiben nicht reagiert, muss der Kunde abwägen, ob er sein Anliegen weiterverfolgen und einen Anwalt einschalten will. Damit trägt er dann auch ein gewisses Kostenrisiko.

Galla sieht darin keinen Nachteil gegenüber den anderen Anbietern. „Wir können sehr zuverlässig einschätzen, ob die Forderung Erfolg haben wird.“ Er setzt auch darauf, dass die Fluggesellschaften bereits auf das erste, automatisch erstellte Forderungsschreiben reagieren anstatt die Kosten unnötig in die Höhe zu treiben. Denn bei einer Niederlage müssen sie dann zusätzlich zur Entschädigung auch noch die Anwaltskosten tragen.

Beispielvideo für die Anwendung des Ratisbots.

Ratisbot ist für Galla vor allem auch ein Testfeld für ein neues digitales Werkzeug. So eignen sich Flugverspätungen dafür besonders, weil die EU-Fluggastrechte-Verordnung recht klar definiert, wann einem Passagier eine Entschädigung zusteht. Komplizierte Rechtsfragen sind in den allermeisten Fällen nicht damit verbunden. Der Anwalt denkt aber bereits über weitere Anwendungsmöglichkeiten nach. „Wir haben in Deutschland ein regelbasiertes Recht. Letztlich geht es doch immer darum, einen bestimmten Lebenssachverhalt unter dieses Regelwerk einzuordnen. Das kann man auch Maschinen überlassen. Im Gegensatz zum Menschen fragen sie alles Notwendige ab und lassen dabei nichts aus“, sagt Galla.

In naher Zukunft hält er beispielsweise eine Lösung für möglich, die dem Nutzer dabei hilft, gegen eine Kündigung vorzugehen. „Ein Chatbot kann ihn beispielsweise über die nächsten Schritte informieren, die er unternehmen muss. Er kann auch eine erste Einschätzung über die Wirksamkeit der Kündigung liefern“, so Galla.

Grundsätzlich geht es ihm darum, mit den Software-Programmen die Beratung zu verbessern und das Angebot für den Mandanten günstig zu gestalten. Das sei aber nur möglich bei vielen gleichgearteten Fällen. „Wir suchen uns die Lebenslagen, zu denen wir die Menschen beraten, schon danach aus“, erklärt er.

Für Fälle abseits vom Massengeschäft existiert übrigens die Kanzlei Flisek und Galla am Hauptsitz in Passau und mit Zweigstellen in Deggendorf und Altötting. Hier berät Galla zusammen mit sechs weiteren Anwälten vom Arbeitsrecht über Bank- und Kapitalmarktrecht bis zum Verwaltungsrecht zu insgesamt 14 verschiedenen Gebieten des Zivilrechts.

 

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