Verhandlungsführung 4:0: Mediation vs. (Legal) Coaching

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Während der Anwalt im klassischen Beratungsmandat in erster Linie seine
juristische Fachexpertise zur Verfügung stellt und damit den Mandanten in
Auseinandersetzungen, Verhandlungen oder in Gerichtsprozessen lediglich als
Ratgeber begleitet, bieten der juristische Mediator und Legal Coach eine Form
von professionellem Kommunikations- und Prozessmanagement, welches dem
Mandanten einen geschützten Rahmen für Entwicklung und eigene
Entscheidungen bietet.

Kaum etwas hat die Grundlagen der Verhandlungsführung in den letzten Jahren wohl
so nachhaltig beeinflusst wie die Mediation. Und die Zahl der Anwälte, die sich zu
Mediatoren ausbilden lassen, steigt weiter. Obgleich der Preis des Verlusts der
Parteilichkeit als Anwalt für die Erhöhung seiner Verhandlungskompetenz hoch ist:
Der Anwalt, der die ihm anvertraute Streitigkeit als Mediator begleitet, haftet zwar wie
ein Anwalt, verliert jedoch sein Anwaltsmandat und kann nicht mehr als Anwalt
abrechnen.

Gerade im Familienrecht, dem Top-Anwendungsgebiet der Mediation, hat sich daher
eine neue Form der außergerichtlichen Einigung und Mediation etabliert: die
Verhandlung und Einigung mit zwei in der Mediation geschulten Anwälten, die
kooperative Mediation.

Anders als bei der klassischen Mediation

– hat tatsächlich niemand im Prozess die Mediatorenrolle inne
– beide Parteien sind anwaltlich vertreten und
– die Anwälte sind ausgebildete Mediatoren

Das bedeutet im Umkehrschluss auch, dass die involvierten Mediatoren zwingend
Anwälte sind – eine Voraussetzung, die bei der klassischen Mediation nicht
unbedingt vorliegen muss und daher aus juristischer Sicht manchmal zu
unerträglichen Ergebnissen führt, weil juristische Laien Rechtswirkungen
herbeiführen, die sie nicht erfassen.

Legal Coaching ist im Gegensatz zur rein juristischen Fachberatung die Begleitung
und Unterstützung des Mandanten durch einen erfahrenen Juristen oder Anwalt nach
den von den Berufsverbänden für Coaching entwickelten Qualitätsstandards, mit
dem Fokus auf die Interessen und Bedürfnisse des Mandanten. Hat jedoch im
Unterschied zur Zusatzausbildung Mediation den entscheidenden Vorteil, dass der
Jurist nicht seine Parteilichkeit und damit nicht sein Mandat verliert und es sowohl als
kompletter Coachingprozess als auch punktuell im Mandat angewendet werden
kann.

Egal ob Mediation oder Coaching: Eine deratige post graduate Ausbildung für
Juristen erhöht in jeden Falle die Kommunikationsfähigkeit und
Konfliktmanagementfähigkeit des Juristen und damit maßgeblich die
Verhandlungskompetenz.

Doch was ist der Nutzen einer solchen Ausbildung für Juristen?
1. Es zahlt sich in seinem Geschäft aus, weil seine Mandanten zufriedener sind.
2. Es zahlt sich für ihn persönlich aus, weil er selbst zufriedener ist.
3. Es zahlt sich in seiner Kanzlei aus, weil die Mitarbeiter zufriedener sind.

Als ausgebildeter Coach kann der Anwalt die Krise des Mandanten nicht nur rechtlich
sondern auch menschlich erfassen, deren Stadium bestimmen und die passenden
Methoden auswählen, den Mandanten herauszuführen. Das sind nicht in erster Linie
rechtliche Schritte, sondern eine Kommunikation, die das Sicherheitsbedürfnis des
Mandanten anspricht. Der Mandant fühlt sich verstanden und der Anwalt kann die
Informationen des Mandanten besser einordnen und verstehen, aber auch Strategie
und Taktik sowie das Mandatsmanagement darauf abstimmen. Das führt zu einer
vertrauensvollen und nachhaltigen Mandantenbeziehung, aber eben auch zur für den
Mandanten passenden Rechtslösung. Das Geschäft wird belebt. Der Anwalt kann
auf menschlicher Ebene wirklich helfen und fühlt sich in seiner Arbeit erfüllt und
sinnstiftend.

Darauf zahlt ein, dass die Coachingausbildung dem Juristen ein Verständnis von
menschlichen Beziehungssystemen, Bedürfnissen, Kommunikationsmustern und
Paradigmen vermittelt hat. Er wird in die Lage versetzt, seinen Mandanten besser zu
verstehen, vor allem aber auch sich selbst. Um ein guter Coach zu werden, muss
man in erster Linie an sich selbst arbeiten. Selbstreflektion, Egomanagement,
Achtsamkeit, Perspektivwechsel, Ziele setzen und erreichen, zeichnen ihn aus. In
seiner Coachingausbildung hat er sich daher mit den eigenen Stärken und
Schwächen, Ängsten, Triggern und Glaubenssätze auseinandergesetzt. Das ist
intensiv und nicht leicht und führt zumeist zu einem anderen Selbstverständnis und
Verhältnis zu sich selbst. Ins Burn Out oder eine tiefe Lebenskrise rutscht dieser
Jurist nicht mehr so ohne Weiteres. Er ist persönlich gewachsen und reifer
geworden.

Ein derart reflektierter und in sich ruhender Chef wird einen Führungsstil bevorzugen,
der von gegenseitiger Achtung und Respekt getragen ist, aber auch von Klarheit,
Transparenz und Vertrauen. Er weiß, wofür er und seine Kanzlei stehen und wozu
sie da ist und welche Mitarbeiter zu seiner Kanzlei und dem Kanzleiteam passen. Er
kennt aber auch die Bedürfnisse seiner Mitarbeiter und beschäftig sich deshalb mit
Personal- und Teamentwicklung. Strukturen und Prozesse sollen die
Eigenverantwortlichkeit der Mitarbeiter unterstützen und nicht behindern. In
Teamkonflikten kann es sich vermittelnd einbringen. Schwierige Themen werden
nicht ignoriert, sondern sensibel angegangen. Die Mitarbeiter kommen gern ins Büro
und identifizieren sich mit ihrer Arbeit, so dass das gesamte Team an einem Strang
zieht, was für ein gesundes Arbeitsklima sorgt.

Nicht zuletzt kann ein Blick in die sich verändernde Beraterbranche den Blick
schärfen:

Das Geschäftsmodell der Rechtsberatung steckt heute in einem Dilemma: für die
reine Wissensvermittlung, die Beratung, kommt heute kaum noch jemand in die
Kanzlei. Dank Globalisierung und Internet sind Informationen heute zu jedem Thema
und jeder Rechtsfrage jederzeit überall kostenfrei aufbereitet und verständlich
abrufbar. Kommt der Mandant heute in die Kanzlei ist er vorinformiert und erwartet,
einen vertrauensvollen Partner zu finden, der ihn durch eine Krisensituation begleitet,
eine Veränderung seiner Lebensumstände mit ihm gestaltet, wenn man so will. Die
reine Beratung, was früher Kernkompetenz der Anwälte war, tritt in den Hintergrund
und stattdessen spielen nun Kompetenzen in Krisenmanagement, Konfliktlösung,
Empathie, Kommunikation und Verhandlungsgeschick, strategischem und
systemischem Verständnis eine wachsende Rolle. „Die Zukunft der Anwaltschaft wird
weiblich“ titelte daher schon 2013 die Prognose Studie des Deutschen
Anwaltsvereins (DAV) und meinte damit, dass die klassischen Kompetenzen für den
Anwaltsberuf wie Durchsetzungskraft, analytisches Denken, pragmatische Lösungen
eher „typisch männlich“ waren; von der Branche zukünftig jedoch eher „typisch
weibliche“ Eigenschaften eingefordert werden würden.

Das ist nichts Neues. Auch andere klassische Beraterberufe entwickelten sich in den
letzten Jahren in diese Richtung, weil der Markt es einforderte. Die Beraterbranche
wird zunehmend nahbarer, menschlicher und dadurch weniger austauschbar. Nicht
austauschbar zu werden, kann insbesondere durch eine einzigartige Kombination
aus verschiedenen Fachkompetenzen, Berufs- und Lebenserfahrung erreicht
werden. Trifft also juristische Expertise auf Kommunikations- und Krisenkompetenz
und verbindet dies in Legal Coaching, reagiert der Anwalt auf die modernen
Mandantenerwartungen, dens dieser coachende Jurist kann seinen Mandanten sehr
viel besser in seiner derzeitigen Situation abholen und verstehen.

Derzeit bietet allein die CLP-Academy eine vollständige Ausbildung für
Juristen und vergleichbare Berufe im Legal Coaching an, die den Qualitätsstandards
der Coaching-Berufsverbände entspricht. Entwickelt wurde die Ausbildung von Dr.
Geertje Tutschka, ACC, einer seit 25 Jahren erfahrenen Anwältin in Deutschland,
Österreich und den USA, die als Präsidentin seit 2016 das deutsche Chapter der ICF
führt und damit für international einheitliche Qualitätsstandards im Coaching steht.