Verbraucher sollen es leichter haben, zu ihrem Recht zu kommen. Das ist das erklärte Ziel einer Reihe von neuen Anbietern auf dem Rechtsdienstleistungsmarkt. Egal ob es sich um verspätete Flüge, Züge, Ordnungswidrigkeiten im Verkehr, Abfindungen bei Kündigungen oder zu viel bezahlte Miete handelt – für jedes dieser Themen gibt es inzwischen Onlineportale, die versprechen, das Problem schnell und günstig aus der Welt zu schaffen. Diese Unternehmen bieten ihre Leistungen in der Regel auf der Grundlage einer Inkassoerlaubnis an. Als solche dürfen sie die Forderungen ihrer Kunden geltend machen und dafür Provisionen verlangen. Was im Rahmen einer solchen Inkassolizenz erlaubt ist und was nicht – darüber wird viel diskutiert und gestritten. Gleich mehrfach hat sich zum Beispiel das Landgericht Berlin mit dem Geschäftsmodell des Berliner Legal-Tech-Unternehmens Mietright GmbH beschäftigt.
Das Unternehmen betreibt das Onlineportal wenigermiete.de. Mieter können darüber, ihre Rechte und Ansprüche aus den Vorschriften zur so genannten Mietpreisbremse durchsetzen, sich gegen Mieterhöhungen wehren oder die Klauseln zu Schönheitsreparaturen in ihren Mietverträgen überprüfen lassen. Dafür geben sie die detaillierten Informationen online ein und ihr Fall wird automatisch geprüft. Kommt dabei heraus, dass die Mieter zu viel Miete zahlen, wird Mietright für sie aktiv – „einfach“, „online“ und „ohne Risiko“, wie das Unternehmen auf seiner Webseite wirbt. Denn nur bei Erfolg zahlt der Nutzer ein Honorar, das sich einmalig nach der Mietersparnis für vier Monate bemisst.
Jetzt hat das Legal Tech-Unternehmen in den Auseinandersetzungen um sein Geschäftsmodell einen Etappensieg errungen: Die Rechtsanwaltskammer Berlin hatte die Gründer auf wettbewerbsrechtliche Unterlassung verklagt. Die Richter der 15. Zivilkammer des Landgerichts Berlin wiesen jedoch die Ansprüche als weitgehend unbegründet zurück (Az.: 15 O60/18 vom 15.1.2019). Das aktuelle Urteil ist das fünfte des Landgerichts Berlin in Sachen „Mietright“. In den zuvor ergangenen Urteilen hatten sich von Mietright verklagte Vermieter mal erfolgreich, mal erfolglos mit dem Argument zu Wehr gesetzt, dass das Unternehmen unerlaubte Rechtsdienstleistungen erbringe und deshalb auch nicht aus dem abgetretenen Recht der Mieter klagen könne. Mit dem aktuellen Urteil der 15. Zivilkammer steht es nun 3:2 für Mietright.
Die Richter urteilten nun, dass Mietright mit seinem Angebot weder gegen das Rechtsdienstleistungsgesetz noch gegen das Gesetz gegen den Unlauteren Wettbewerb verstößt. Bei diesen Tätigkeiten würde es sich entweder nicht um eine Rechtsdienstleistung handeln oder sie seien von der Inkassoerlaubnis umfasst oder die Beklagte sei in diesem Bereich nur als Prozessfinanziererin tätig. Nach Auffassung der Richter würden Dienstleistungen wie die von Mietright auch gar keinen ernstzunehmenden Wettbewerb für die Anwälte darstellen, sondern „den Verbrauchern und dem Rechtsverkehr – auch den Rechtsanwaltsgesellschaften – eher nutzen“, als schaden, heißt es in den Urteilsbegründungen. Ohne das Angebot von Mietright hätten die meisten Mieter für diese Angelegenheiten wohl ohnehin keinen Anwalt aufgesucht. Allerdings untersagten sie dem Unternehmen, sich „Rechtsdienstleistungsgesellschaft“ zu nennen. Da auch die beiden Geschäftsführer von Mietright Anwälte seien, könnte der Eindruck entstehen, dass das Unternehmen eine Rechtsanwaltsgesellschaft und kein Inkassounternehmen sei. Zudem darf Mietright auch nicht „anwaltlich empfehlen“.
Die Rechtsanwaltskammer Berlin hätte sich sicherlich weitergehende Entscheidungen von ihrer Klage erhofft. Denn schließlich geht es um die grundsätzliche Frage, ob Inkassodienstleister alle diese Leistungen für ihre Kunden erbringen dürfen, obwohl sie viel geringeren Anforderungen unterliegen als Anwälte. Die Rechtsanwaltskammer hat Berufung gegen das Urteil eingelegt.
Auf jeden Fall befeuert das aktuelle Urteil die Diskussion über die Regulierung von Legal Tech. Nicht immer müssen gesetzliche Auflagen für die neuen Player auf dem Rechtsberatungsmarkt nachteilig sein. „Regulierung schafft Legitimation und Vertrauen“, stellt Prof. Dr. Matthias Kilian fest, der an der Universität Köln lehrt und forscht und auch Direktor des Soldan Instituts ist. Viele Angebote würden aufgewertet, wenn zum Beispiel Zuverlässigkeits- und Sachkundeanforderungen aufgestellt und Berufsausübungsregeln formuliert würden. „Eine solche Entwicklung könnte Legal Tech-Anbieter aus Sicht der Verbraucher mit Rechtsanwälten zwar nicht auf Augenhöhe bringen, sie aber doch erheblich aufwerten“, sagt Kilian. Er gibt aber auch zu bedenken, dass bei der Regulierung von Legal Tech viele Aspekte zu berücksichtigen seien und der „Teufel im Detail“ stecke.
Die detaillierten Überlegungen von Prof. Dr. Matthias Kilian zur Regulierung von Legal Tech finden Sie im aktuellen Anwaltsblatt 01_19.