Seit dem 1. April 2018 ist Rechtsanwalt Philipp Wendt neuer Hauptgeschäfts-führer des Deutschen Anwaltvereins (DAV). Er tritt an die Stelle von Dr. Cord Brügmann, der dieses Amt die vergangenen zehn Jahre ausgeübt hat. Wendt hat zuvor die Deutsche Anwaltakademie, eine Tochtergesellschaft des DAV, geleitet und dort unter anderem die Online-Fortbildung erfolgreich etabliert und ausge-baut. Zudem war er von 2002 bis 2007 Mitglied der DAV-Geschäftsführung.
Welche Schwerpunkte werden Sie in Ihrer Arbeit als Hauptgeschäftsführer des DAV in den kommenden Jahren setzen?
Philipp Wendt: Ich bin überzeugt, dass sich die Aufgaben von Berufsverbänden, wie dem Deutschen Anwaltverein, ändern werden. Die Digitalisierung spielt hierbei eine entscheidende Rolle. Die wesentliche Aufgabe von Berufsverbänden war es lange Zeit, die Rahmenbedingungen des Marktes positiv zu beeinflussen. Das tun wir immer noch. Der DAV kümmert sich zum Beispiel um Anpassungen des RVG und setzt sich für ein zeitgemäßes anwaltliches Berufsrecht ein. Neu ist, dass sich die Anbieter von digitalen, internetbasierten Leistungen immer weniger um die Rahmenbedingungen des Marktes kümmern. Die alten, analogen Regelungen passen auch nicht auf Chatbots, die in Zukunft einfachere Rechtsfragen wahrscheinlich ohne menschliches Zutun beantworten können. Der DAV als Berufsverband muss zum einen den rechtlichen Rahmen neu erfinden, in dem Rechtsdienstleistung erbracht wird. Zum anderen müssen wir im DAV prüfen, wo wir uns im Interesse unserer Mitglieder auch selbst an der Entwicklung von Angeboten beteiligen, die das Arbeiten der Anwältinnen und Anwälte erleichtern.
Sie haben angedeutet, dass der DAV über die Anwaltsauskunft eventuell selbst Anbieter eines Online-Portals für Rechtsberatung werden könnte. Können Sie das näher erläutern?
Philipp Wendt: Mit anwaltauskunft.de haben wir bereits ein reichweitestarkes Tool für die Anwaltssuche. Dieses wollen wir ausbauen. Dabei sollen die Mandatsaufnahme sowie deren Bearbeitung erleichtert und unterstützt werden. Wir überlegen auch, inwieweit Entwicklungen im Bereich Legal Tech eine Rolle spielen können.
Hat sich die Einstellung der Anwälte zur fortschreitenden Automatisierung in ihrem Beruf Ihrer Meinung nach in der jüngeren Vergangenheit etwas verändert?
Philipp Wendt: Viele Rechtsanwältinnen und Rechtsanwälte hatten in den vergangenen Jahren Sorge, dass Künstliche Intelligenz sie mittels Automatisierungsprozessen einfach obsolet machen wird. Mittlerweile ist deutlich geworden, Roboter die Anwälte und Anwältinnen ersetzen, wird es in naher Zukunft nicht geben. Viele Software-Anwendungen, die im Rahmen der Legal Tech-Bewegung entwickelt wurden, machen den Kanzleien das Leben eher leichter als schwerer. Automatisierungs- Prozesse sehe ich als eine große Chance für Kanzleien. Felder, die für Anwältinnen und Anwälte jetzt unwirtschaftlich sind, können so als Tätigkeitsfeld zurückgewonnen werden. Ich denke, dass Automatisierung etwas Positives ist. Langweilige Standardaufgaben sollen doch lieber Maschinen als Menschen übernehmen.
Welche Herausforderungen muss die Anwaltschaft – neben der Digitalisierung – noch in den kommenden Jahren bewältigen?
Philipp Wendt: Die Anwaltschaft steht vor einer Vielzahl von Herausforderungen. Ich will mich auf zwei beschränken. Eine wesentliche ist der Mangel an gut qualifizierten Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern in den Kanzleien. Trotz Digitalisierung: Ohne unsere Fachangestellten sind erfolgreiche Kanzleien schlicht nicht denkbar. Um diesen Beruf wieder attraktiver zu machen, müssen wir das Berufsbild und die Ausbildungsgänge modernisieren. Wir müssen weg von dem Bild der schlecht bezahlten Schreibkraft hin zu verantwortlichen Assistentinnen und Assistenten der Kanzlei. Hierzu gehören neben der angemessenen Bezahlung kontinuierliche Weiterqualifizierung und Wertschätzung, die die Mitarbeiter verdient haben. Ein weiterer Punkt, auf den wir achten müssen, geht in eine andere Richtung. Die Grundsätze der Rechtsstaatlichkeit sind aktuell im gesellschaftlichen Diskurs wenig gefragt. Hier müssen sich Anwältinnen und Anwälte als Verteidiger des Rechtsstaates klar positionieren und in der öffentlichen Debatte mit anwaltlicher Expertise teilnehmen. Verfahrensrechte, auch im Strafprozess, sind ein hohes Gut zum Schutz der betroffenen Menschen. Wenn ein Verfahren einmal länger dauert, ist das auch nicht schlimm, sondern zeigt, dass die Justiz und die Anwälte gründlich gearbeitet haben. Es ist die Aufgabe des DAV und der Anwaltschaft, ein positives Bild des Rechtsstaates zu zeichnen, um diese Rechte zu verteidigen.