Konferenz der Bundesrechtsanwaltskammer: Wie „böse“ ist es um die Anwaltschaft bestellt?

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Die Arbeitswelt der Anwältinnen und Anwälte ändert sich und es sind ganz verschiedene Faktoren, die diesen Wandel vorantreiben. Aber wie wird die Zukunft der Anwälte aussehen und wie kann der Berufsstand diesen Herausforderungen begegnen? Auf einer Konferenz der Bundesrechtsanwaltskammer am 17. April in Berlin diskutierten die Teilnehmer teilweise recht kontrovers „Böse Thesen zur Zukunft der Anwaltschaft“. Trotz dieses offensiv formulierten Titels der Veranstaltung, war vielen Wortbeiträgen doch wieder die allgemeine Skepsis gegenüber neuen Entwicklungen deutlich zu entnehmen.

Besonders das Thema „Fremdfinanzierung von Anwaltskanzleien“ erregte die Gemüter der Teilnehmer. Rechtsanwalt Rüdiger Ludwig wagte die These, dass die Beteiligung Dritter unter bestimmten Bedingungen durchaus ein probates Mittel sein kann, um Wachstum und Innovation in einer Kanzlei zu finanzieren. Denn vor allem unter den jüngeren Anwälten werde die Bereitschaft, persönlich zu haften, immer geringer, stellte der Partner bei Möhrle Happ Luther Rechtsanwaltsgesellschaft mbH und Mitglied im Vorstand der Hanseatischen Rechtsanwaltskammer Hamburg fest. Allerdings müsse die Stimmenmehrheit bei den Anwälten bleiben; für die erforderliche Transparenz und Einhaltung aller berufsrechtlichen Vorschriften könnte ein Compliance Manager sorgen, schlug er vor. Die meisten Teilnehmer waren hingegen der Auffassung, dass sich eine wirtschaftliche Beteiligung Dritter mit den anwaltlichen Kernpflichten, vor allem mit der Unabhängigkeit, nicht vertrage.

Ähnlich kontrovers ging es auch beim Thema Digitalisierung beziehungsweise Legal Tech zu. Marco Klock ging der Frage nach, ob Roboter das Rechtsdienstleistungsgesetz abschaffen oder auch davon erfasst werden. Er ist Gründer und CEO der rightmart Software GmbH, einem Start-up aus Bremen, das sich hauptsächlich mit der Überprüfung von Hartz4-Bescheiden beschäftigt. Seiner Meinung nach werden künftig technische Lösungen den Mandanten bei einfach gelagerten Standardfällen weiterhelfen, ohne dass noch ein Anwalt sich einschaltet, wie es derzeit der Fall ist. Er plädiert deshalb dafür, das anwaltliche Berufsrecht und das Rechtsdienstleistungsgesetz so zu reformieren, dass Spielräume für solche Innovationen entstehen. In der anschließenden Diskussion bezweifelten viele Teilnehmer, ob sich Rechtsratsuchende wirklich mit der Beratung durch eine Maschine zufrieden geben und nicht die menschliche Empathie vermissen würden.

Sehr einig waren sich hingegen alle Anwesenden, dass dringend etwas unternommen werden müsse, um den Beruf der Rechtsanwaltsangestellten wieder attraktiver zu machen. Der Beruf dürfe keinesfalls aussterben. Neben einer (auch freiwillig gewährten) besseren Vergütung – vor allem während der Ausbildung – könnten auch andere Faktoren dazu beitragen, etwa flexiblere Arbeitszeiten, Fortbildungs- und Entwicklungsmöglichkeiten im Beruf. Auch die Rechtsanwaltskammern seien hier gefordert, so die Teilnehmer.

Weitere Themen der Konferenz waren auch die zunehmende Landflucht der Anwälte und die geringe Zahl von Frauen als Partnerinnen in Sozietäten. Nach den Worten von Eghard Teichmann, Rechtsanwalt und Notar aus Achim in Niedersachsen, sieht es „für den Anwalt auf dem platten Land sehr schlecht aus“. Es sei kaum möglich, junge Anwälte für eine Kanzlei in ländlichem Gebiet zu gewinnen, obwohl die Jungen dort schneller und leichter an Mandanten kämen und auch nicht schlechter verdienen würden als in der Stadt. Insgesamt sei es problematisch, wenn Amtsgerichte geschlossen würden und sich der Staat und alles, was mit der Rechtspflege zusammenhänge, aus den ländlichen Gebieten zurückzögen, so Teichmann. Konkrete Lösungsvorschläge, wie dieser Entwicklung begegnet werden könnte, gab es jedoch nicht. Das gilt auch für das Phänomen, dass es zwar immer mehr Anwältinnen gibt, aber kaum Partnerinnen in Sozietäten. Laut einer Umfrage des Karrieremagazins Azur unter 200 Wirtschaftskanzleien beträgt der Frauenanteil bei den Associates 43 Prozent, bei den Equity Partnern hingegen nur noch 10,7 Prozent. Hauptprobleme sind nach den Ausführungen von Ulrike Schulz von der Fernuniversität Hagen die nach wie vor schwierige Vereinbarkeit von Beruf und Familie sowie oftmals unflexible Arbeitsbedingungen. Die Justiz bietet den Juristinnen hingegen ein wesentlich familienfreundlicheres, sicheres Arbeitsumfeld. Die meisten Kanzleien könnten in diesen Punkten nicht mithalten, hieß es in der Diskussion.