„Für Anwälte eröffnen sich eine Reihe neuer Geschäftsfelder“

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Die Blockchain-Technologie wird die Welt grundlegend verändern – auch die der Anwältinnen und Anwälte. Auf dem Anwaltszukunftskongress, der am 8. und 9. September 2017 in Düsseldorf stattfindet, wird Florian Glatz von blockchain.lawyer erklären, was „Blockchain“ bedeutet und welche Bedeutung diese Technologie im Rechtsberatungsmarkt erlangen wird. Florian Glatz ist Rechtsanwalt und Softwareentwickler und beschäftigt sich vornehmlich mit Blockchain-Technologie an der Schnittstelle zu Recht und Wirtschaft.

Was ist eigentlich Blockchain?

Die Blockchain ist durch Bitcoin, eine dezentrale digitale Währung, bekannt geworden. Diese Technologie hat Bitcoin erst möglich gemacht. Ihre Anwendung reicht jedoch weit über den elektronischen Zahlungsverkehr hinaus. Vorstellen kann man sich Blockchain als riesige
Datenbank, die dezentral über viele Computer verteilt ist. Dabei werden die Informationen,
die Akteure miteinander austauschen, in Blöcken zusammengefasst. Sie können nicht mehr
verändert, aber nachverfolgt werden. Das alles geschieht so schnell, dass sich die Akteure
in Echtzeit auf Bedingungen einigen können.

Die Blockchain ermöglicht zudem Verträge, die sich selbst durchsetzen. Software tritt an die Stelle von Vertragsbestandteilen. „Smart Contracts“ werden die autonom agierenden Software-Agenten in einer Blockchain genannt. Anstatt wie rechtliche Verträge gegenseitige Pflichten der Parteien zu definieren, sind Smart Contracts eher mit einem Warenautomaten vergleichbar, der auf mechanische Weise die Erfüllung der ihm geschuldeten Kaufpreisforderung erzwingt.

In Netzwerken, die dem ganzen Internet offenstehen (wie Bitcoin und Ethereum), ermöglicht
die Blockchain dezentrales, anonymisiertes Interagieren. Vertrauen in Mittler, zum Beispiel in
Banken, wird durch das anonymisierte Vertrauen auf technischer Basis ersetzt. Kollaborative
Entscheidungsfindung in Gremien, Organisationen und Unternehmen kann auf der
Blockchain abgebildet werden. Lieferketten lassen sich komplett transparent gestalten. Für
Musik und Texte eröffnen sich neue Vertriebswege.

Wo wird diese Technologie bereits eingesetzt?

Als Anwalt und Software-Entwickler berate ich seit über drei Jahren Start-ups und große
Unternehmen zum Thema Blockchain. Dabei geht es meistens darum, wie Blockchain
technisch, rechtlich und strategisch zum eigenen, aber auch zum gesellschaftlichen
Mehrwert im konkreten Fall eingesetzt werden kann. Beispielhaft zu nennen ist das junge
Unternehmen SatoshiPay, welches ich zunächst primär als Software-Entwickler mit
aufgebaut habe. Das Start-up nutzt Smart Contracts, das heißt software-basierte Verträge,
welche den Verkauf digitaler Güter gegen Zahlung von Bitcoin abwickeln. Die Blockchain
ermöglicht hier die Transaktion von Kleinstbeträgen im Sub-Cent-Bereich in Echtzeit und das
ohne Abhängigkeit von Intermediären wie einer Bank.

Ein weiteres Beispiel ist das Energieunternehmen Innogy, welches aus dem Mutterkonzern
RWE heraus gegründet wurde. Innogy hat zusammen mit verschiedenen Partnern eine EMobility Lösung namens „Share&Charge“ entwickelt, welche stark auf Blockchain-
Technologie setzt, um eine sekundengenaue Abrechnung der verbrauchten Ressourcen in
Echtzeit zu ermöglichen. Am aufsehenerregendsten ist zur Zeit allerdings eine neue Möglichkeit des Crowdfundings mittels der Blockchain. Es wird von der Community als Initial Coin Offering (ICO) bezeichnet – angelehnt an das bekannte Initial Public Offering (IPO) an der Börse. Hier sammeln Startups zur Zeit Gelder von anonymen Investoren in zweistelliger Millionenhöhe ein (gemessen in US Dollar), um damit die Infrastruktur der Zukunft aufzubauen.

Welche Anwendungsgebiete gibt es für diese Technologie in der Rechtsberatung?

Sollte sich die Vision der Blockchain Community bewahrheiten, werden in Zukunft viele Arten
von Verträgen und die dazugehörigen Transaktionen über die Blockchain geschlossen und
abgewickelt werden. Mithin wird sich auch die Rechtsberatung auf dieses Medium einstellen
müssen. Fortschrittliche Anwälte werden in der Lage sein, in Software gefasste Verträge zu
prüfen und gegebenenfalls auch eigenständig zu entwerfen. Obwohl die Blockchain ganz
grundsätzlich für die Disintermediation von Mittelsmännern steht, braucht auch sie eine
Reihe an Dienstleistern, die einen funktionierenden Rechtsverkehr ermöglichen. Für Anwälte
eröffnen sich hier eine Reihe neuer Geschäftsfelder, etwa im Bereich Online Dispute
Resolution (ODR), der Teuhand und der Signierung von Multi-Signatur-Transaktionen.