Rechtsprechung und Gesetzgebung befassen sich mit automatisierter Rechtsdienstleistung
Die Diskussion um Legal Tech hat in den vergangenen Wochen an Dynamik gewonnen. Im Zentrum steht die Frage, ob automatisierte Rechtsdienstleistungen, die sich vornehmlich an Verbraucher richten, mit dem Rechtsdienstleistungsgesetz vereinbar sind. Es sind vor allem die Anwaltskammern, die auf eine rechtliche Klärung drängen. Sie kritisieren, dass die neuen Anbieter zwar ähnliche Leistungen wie ein Anwalt erbringen, aber wesentlich weniger Einschränkungen unterworfen sind – zum Nachteil der Rechtssuchenden.
Mit Spannung wird deshalb die Entscheidung des Bundesgerichtshofs über das Angebot des Berliner Legal Tech-Unternehmens LexFox (vormals Mietright) erwartet (Az.: VIII ZR 285/18). Über das von ihm betriebene Online-Portal wenigermiete.de können Mieter ihre Rechte und Ansprüche aus den Vorschriften zur Mietpreisbremse durchsetzen, sich gegen Mieterhöhungen wehren oder die Klauseln zu Schönheitsreparaturen in ihren Mietverträgen überprüfen lassen. LexFox ist beim Berliner Kammergericht als Inkasso-Unternehmen registriert. Als solches darf es die Forderungen im Auftrag der Kunden geltend machen und dafür Provisionen verlangen. In dem Verfahren vor dem Bundesgerichtshof geht es nun um die Frage, ob die Tätigkeit des Unternehmens überhaupt noch von der Inkassoerlaubnis gedeckt ist oder ob es sich dabei nicht vielmehr um eine Rechtsberatung im Sinne des Rechtsdienstleistungsgesetzes mit angeschlossener Inkassodienstleistung handelt. LexFox-Geschäftsführer Dr. Daniel Halmer äußerte sich kurz nach der Verhandlung vor dem Bundesgerichtshof am 26.10.2019 zuversichtlich. Die Richter hätten eine liberale Auslegung des Rechtsdienstleistungsgesetzes signalisiert. Angebote wie die von wenigermiete.de gehörten zu einem modernen Rechtsstaat dazu. Wie sie letztlich entscheiden wird sich erst am 27.11.2019 zeigen. Für diesen Tag ist die Verkündung jetzt terminiert.
LG Köln: smartlaw verstößt gegen Rechtsdienstleistungsgesetz
Weniger aufgeschlossen gegenüber neuen Lösungen für Rechtssuchende hat sich dagegen das Landgericht Köln in seiner kürzlich gegen smartlaw ergangenen Entscheidung gezeigt (Az.: 33 O 35/19 vom 8.10.2019). Das Unternehmen bietet Rechtssuchenden über ein automatisiertes Frage- und Antwortsystem Rechtsdokumente an. Die Kölner Richter sahen darin eine unzulässige Rechtsdienstleistung und damit einen Verstoß gegen das Rechtsdienstleistungsgesetz.
Sobald „eine Tätigkeit in konkreten fremden Angelegenheiten“ eine rechtliche Prüfung des Einzelfalls erfordert, bleibt sie nach dem Rechtsdienstleistungsgesetz der Anwaltschaft vorbehalten. Dies gelte für die Aufstellung von Verträgen. Die Richter folgten damit der Auffassung der Hanseatischen Anwaltskammer, die die Klage angestrengt hatte. „Bei der Gestaltung rechtssicherer und interessensgerechter Verträge muss in der Regel in Zusammenarbeit mit der Mandantschaft der maßgebliche Sachverhalt geklärt und geprüft werden, ob die von der Mandantschaft gestellten Fragen zur Vertragsgestaltung den Sachverhalt wirklich ausschöpfen“, argumentiert die Kammer in ihrer Presseerklärung. Ein Computer könne das jedoch nicht.
Wolters Kluwer Deutschland, führender Anbieter von Fachinformationen, Software und Services im Bereich Recht, Wirtschaft, Steuern, zu dem auch smartlaw gehört, hält dagegen: Bei smartlaw handele sich um „ein intelligentes und digital nutzbares Angebot, das sich an Privatpersonen und kleinere/mittlere Unternehmen richte und eine Vielzahl standardisierbarer Fälle zur Vertrags- und Dokumentenerstellung“ abdecke, heißt es in der Pressemitteilung. Es sei „eine digitale Weiterentwicklung der bereits seit Jahrzehnten in Printform angebotenen Formular- und Mustersammlungen, mit welcher der Anwender software-gestützt selbst Verträge erstellen“ könne. Nach Ansicht von Kristina Schleß, Head of Legal & Compliance bei Wolters Kluwer Deutschland, erfülle smartlaw deshalb auch nicht den Tatbestand der Rechtsdienstleistung im Sinne des §3 des Rechtsdienstleistungsgesetzes. Wolters Kluwer hat bereits angekündigt, gegen das Urteil Berufung einzulegen.
Gesetzgeber befasst sich mit Regulierung von Legal Tech
Parallel zu den Gerichten beschäftigt sich auch der Gesetzgeber mit den Legal Techs: So berührt ein Referentenentwurf, den das Bundesministerium für Justiz und Verbraucherschutz zur Reform des Inkassorechts kürzlich vorgelegt hat, am Rande auch Legal Tech-Unternehmen, wenn sie als Inkassodienstleister zugelassen sind. Geplant sind beispielsweise neue Vorschriften bei der Registrierung solcher Legal Techs. Nach dem Referentenentwurf sollen sie nicht ohne weiteres ihren Sitz verlegen können und sich bei der dort zuständigen Behörde registrieren lassen, wenn ihr Antrag zuvor schon an dem ursprünglichen Sitz abgelehnt worden ist. Die neue Behörde muss dann zumindest über diesen Vorgang informiert werden.
Darüber hinaus sollen die Aufsichtsbehörden künftig mehr Rechte erhalten. Sie können – dem Gesetzentwurf zufolge – künftig anordnen, ein bestimmtes Verhalten zu unterlassen. Solche Anordnungen sollen insbesondere zur Entscheidung einer Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung oder bei einem erheblichen oder wiederholten Verstoß gegen Rechtsvorschriften in Betracht kommen. Das könnte allerdings bedeuten, dass die Aufsichtsbehörden entscheiden, dass Legal Tech-Unternehmen bestimmte Angebote zu unterlassen haben, wenn noch keine höchstrichterliche Entscheidung dazu ergangen ist.
Kritiker sehen in diesen Reformvorhaben eine Regulierung durch die Hintertür. Sie befürchten, dass Innovationen in der Rechtsberatung auf jeden Fall schwieriger werden, wenn die Reformvorhaben so beschlossen werden.