„Wir leisten Grundlagenforschung für Legal Tech“

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Mit den Rahmenbedingungen für Legal Tech wird sich die erste Forschungsstelle in Deutschland wissenschaftlich auseinandersetzen. Sie wurde Anfang März am Institut für Energie- und Wettbewerbsrecht in der kommunalen Wirtschaft e.V. (EweRK) der juristischen Fakultät der Humboldt-Universität Berlin eingerichtet. Die Coduka UG, ein unabhängiger Prozessfinanzierer, der auch die Legal Tech-Plattform geblitzt.de betreibt, unterstützt sie finanziell zunächst für die kommenden drei Jahre. Geleitet wird die Forschungsstelle von Prof. Dr. Hans-Peter Schwintowski, Inhaber des Lehrstuhls für Bürgerliches Recht, Handels-, Wirtschafts- und Europarecht.

Können Sie bitte näher erklären, womit sich die neue Forschungsstelle Legal Tech konkret beschäftigt?

Prof. Dr. Hans-Peter SchwintowskiWir haben aktuell zwei Doktorandenstellen besetzt, die sich mit zwei Themenkomplexen beschäftigen: Zum einen geht es um die Zusammenhänge zwischen der am 25. Mai 2018 in Kraft tretenden Datenschutzgrundverordnung und den großen Datenmengen, die im Bereich Legal Tech gesammelt und verarbeitet werden. Wo gibt es Konflikte? Wie können Behinderungen abgebaut werden? Das sind zwei Beispiele für Fragen, denen wir nachgehen werden. Das andere Thema dreht sich um die Verbraucherbedürfnisse im Bereich Legal Tech und die damit zusammenhängenden rechtlichen Rahmenbedingungen.

Benötigt die Legal Tech-Szene spezielle rechtliche Rahmenbedingungen?

Prof. Dr. Hans-Peter Schwintowski: Der Rechtsmarkt ist speziell und über das anwaltliche Berufsrecht reguliert. Durch Legal Tech kommt nun einiges in Bewegung. Tradierte Zöpfe werden fallen, das ist sicher. Zur Zeit führen wir jedoch keine strukturierte Diskussion darüber, was sich eventuell ändern muss. Mit unserer Arbeit wollen wir deshalb Grundlagenforschung auf diesem Gebiet leisten. Das gilt auch für die Fragen der Verbraucherinteressen und Legal Tech-Angeboten. Was passiert zum Beispiel mit den persönlichen Daten der Nutzer? Ist die Erfolgsbeteiligung mancher Portale als Vergütung angemessen und vieles mehr.

Plädieren Sie insgesamt für eine stärkere Regulierung der Legal Techs?

Prof. Dr. Hans-Peter Schwintowski: Seien wir ehrlich: Im Moment schaut doch keiner so richtig auf die Internet-Angebote und -Portale. Generell benötigen wir mehr Klarheit darüber, was zulässig ist und was nicht. Letztlich zeigt doch auch der jüngste Datenskandal um Facebook, dass wir längst nicht genau wissen, was im Hintergrund mit unseren Daten so alles passiert.

Wie sieht Ihr Lösungsvorschlag aus?

Prof. Dr. Hans-Peter Schwintowski: Ich könnte mir eine Art Digitalagentur vorstellen, die die Angebote genau unter die Lupe nimmt. Selbstverständlich darf diese Agentur nicht gleich den neu entstehenden Markt der Legal Techs durch Überregulierung ersticken. Wir sollten aber auch keinen Wildwuchs in dem sensiblen Rechtsmarkt zulassen. Ich stelle mir die Arbeit einer Digitalagentur daher so ähnlich vor wie die der Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht (BaFin), die Finanzunternehmen und ihre Produkte prüft. Parallel oder ergänzend könnte ich mir auch eine Prospektpflicht für bestimmte Internetangebote vorstellen. Eine solche Prospektpflicht existiert bereits heute für viele Wertpapieranlagen und andere Finanzprodukte.

Die Forschungsstelle wird zum Großteil von Coduka finanziert, die selbst mit geblitzt.de eine Rechtsplattform betreibt. Sehen Sie hier mögliche Konflikte?

Prof. Dr. Hans-Peter Schwintowski: Ganz und gar nicht. Wir haben schriftlich vereinbart, dass Coduka keinen Einfluss auf unsere Forschungsinhalte ausüben darf. Wir gehen den Rechtsfragen nach, die sich mit Legal Tech eröffnen. Selbstverständlich freuen wir uns, wenn uns Coduka auch mit Fallbeispielen aus der Praxis oder Kontakten zu anderen Legal Tech-Unternehmen hin und wieder unterstützt.

Prof. Dr. Hans-Peter Schwintowski