Prof. Dr. Leo Staub: Anwälte werden neue Technologien zu nutzen lernen

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Prof. Dr. Leo Staub, Rechtsanwalt und Direktor an der Executive School of Management, Technology and Law der Universität St. Gallen, zeigt im Soldan #insights Interview kurz und knapp disruptive Entwicklungen und wichtige Trends auf dem Anwaltsmarkt auf.

Wie wird sich Ihrer Meinung nach der Markt für rechtliche Dienstleistungen in den nächsten Jahren verändern?

Wie andere Industrien auch werden wir in unserem Markt eine eigentliche Digitalisierungswelle erleben. Diese wird einmal dazu beitragen, dass anwaltliche Dienstleistungen effizienter und auch in höherer Qualität erbracht werden können. Ich denke da etwa an „Smart Contracting“, die automatisierte Erstellung von Verträgen, aber natürlich auch an die Auswertung grosser Daten- und Dokumentenvolumina. Zusätzlich werden wir sehen, dass moderne Technologien anwaltliche Tätigkeiten teilweise verdrängen. „Artificial Intelligence“ und „Machine Learning“ haben das Potenzial, viele „Corporate Services“ beispielsweise, die Überwachung von Schutzrechten oder auch das Stellen von Erfolgsprognosen in streitigen Verfahren zu revolutionieren.

Inwieweit werden neue Anbieter die traditionelle Anwaltskanzlei verdrängen?

Ich gehe nicht davon aus, dass die Anwaltskanzlei vom Markt verdrängt wird. Viel wahrscheinlicher ist, dass wir Anwälte neue Technologien zu nutzen lernen und unsere Dienstleistungen schneller, kostengünstiger und in höherer Qualität anbieten werden. Grosse Teile des Volumengeschäftes werden möglicherweise standardisiert und dann auch automatisiert. Es wird deshalb vielleicht insgesamt weniger, tendenziell aber eher grössere Anwaltskanzleien geben. Am oberen Ende der Qualitätsskala werden die Kanzleien nicht mehr wachsen, am unteren Ende wird ein schöner Teil des Geschäfts von alternativen Anbietern gemacht, die neben Anwälten auch viele Paralegals und Informatiker beschäftigen. Im mittleren Marktsegment der Kanzleien schliesslich wird es zu einer Konsolidierung kommen. Kanzlei-„Ketten“ und Kanzlei-Netze werden eine grössere Rolle spielen als heute. Kanzleien, denen es nicht gelingt, sich strategisch klar zu positionieren und in wenigstens einem strategischen Handlungsfeld (Dienstleistungen, Mandantensegmente, geografische Ausstrahlung oder Vertrieb) Spezialitäten auszubilden, werden es sehr schwer haben.

Wie können Anwälte auf diese Herausforderung reagieren? Welche Rolle spielen in diesem Zusammenhang alternative Honorarmodelle und was ist darunter zu verstehen?

Die Abrechnung anwaltlicher Dienstleistungen auf der Basis von Stundensätzen wird seltener werden. Sie wird in nicht allzu ferner Zukunft wohl nur noch den Kanzleien vorbehalten sein, die in sehr komplexen Fragestellungen höchste Qualität bieten und daher über eine grosse Marktmacht verfügen. Für alle anderen wird der Preis ein wichtiges Wettbewerbsmerkmal werden, viel bedeutender noch als heute schon. Fix-Honorare, Honorar-Dächer oder Erfolgsbeteiligungen, eben sogenannte alternativen Honorarmodelle, werden die Regel sein.

Wo sehen Sie für kleinere und mittlere Kanzleien noch am meisten Potenzial in der Zukunft?

Kanzleien, die sich um die Entwicklung einer eigenständigen Strategie bemühen, keine Berührungsängste vor dem Einsatz moderner Technologien haben und sich im Markt generell unternehmerisch bewegen, haben gute Chancen, sich auch in Zukunft positiv zu entwickeln.

Prof. Dr. Leo Staub wird voraussichtlich auf dem Anwaltszukunftskongress 2017 als Referent zu Gast sein. Der Kongress findet vom 8. – 9. September im InterContinental Hotel Düsseldorf statt. Weitere Informationen auf www.anwaltszukunftskongress.de