BGH findet aktive beA-Nutzung kurz vor Fristablauf nicht zumutbar

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Einer Anwältin oder einem Anwalt ist es nicht zuzumuten, die Schriftsätze über das besondere elektronische Anwaltspostfach (beA) zu versenden, wenn am Abend des Fristablaufs das Gerichtsfax streikt. Das hat der III. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs nach einem jetzt veröffentlichten Beschluss entschieden (Az.: III ZB 31/20 vom 17.12.2020). Er gewährte dem Anwalt gegen die Versäumung der Berufungsbegründungsfrist die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand. Die Gerichte dürften bei der Auslegung der Vorschriften die Anforderungen an das, „was der Betroffene veranlasst haben muss, um Wiedereinsetzung zu erlangen, nicht überspannen“, heißt es im Beschluss.

In dem vorliegenden Fall war das Gerichtsfax für mehrere Tage defekt gewesen. Nachdem der Anwalt deshalb mit der Faxübermittlung gescheitert war, verschickte er seine Berufungsbegründung per E-Mail. Diese wurde aber erst nach Fristablauf ausgedruckt. Ob in solch einem Fall ein Anwalt dann das beA nutzen muss, ist bislang in der Rechtsprechung umstritten.

Der III. Zivilsenat des BGH stellt sich nun auf die Seite, die eine solche Nutzungspflicht verneinen, solange für das beA nur die passive Nutzungspflicht gilt:

Derzeit sei es Rechtsanwälten nicht zumutbar, sich im Falle einer Störung der Faxübermittlung innerhalb kurzer Zeit vor Fristablauf mit den Voraussetzungen einer anderen Zugangsart vertraut zu machen und eine Versendung per besonderem elektronischem Anwaltspostfach vorzunehmen, so die BGH-Richter. Dieser Übertragungsweg stelle „keine sich aufdrängende, mit geringfügigem Aufwand nutzbare Alternative dar, wenn am Tag des Fristablaufs die von ihm gewählte Übermittlung mittels Telefax aus von ihm nicht zu vertretenden Gründen scheitert“.

In einem anderen Fall hatte der BGH ähnlich entschieden (Az.: X ZR 60/19 vom 28.04.2020): Der X. Zivilsenat gewährte einem Patentanwalt die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand, weil das Faxgerät streikte. In diesem Fall hatten die BGH-Richter sogar bezweifelt, ob das beA überhaupt eine höhere Gewähr für eine erfolgreiche Übermittlung kurz vor Fristablauf bieten könne und verwiesen in diesem Zusammenhang auf eine höhere Anzahl von Störungsmeldungen zu dem damaligen Zeitpunkt.

Gleichwohl werden Anwältinnen und Anwälte nicht umhin kommen, sich mit der aktiven Nutzung ihres beA-Postfachs vertraut zu machen. Denn zum 1. Januar 2022 tritt die aktive beA-Nutzungspflicht bundesweit in Kraft. Einige Bundesländer sind bereits vorgeprescht: So ist zum Beispiel die aktive Nutzung des beA in der Arbeitsgerichtsbarkeit in Schleswig-Holstein seit dem 1. Januar 2020 Pflicht. Im kleinen Bundesland Bremen dürfen seit dem 1. Januar 2021 Schreiben und andere Dokumente an die Arbeitsgerichte, an das Sozialgericht oder die Finanzgerichte nur noch in elektronischer Form eingereicht werden.

Mit entsprechenden Schulungen sowie den beA-Services unterstützt Soldan seine Kunden bei dieser Aufgabe.