Lange wurde über die so genannte große BRAO-Reform diskutiert, nun ist es endlich soweit: Am 1. August 2022 tritt das Gesetz zur Neuregelung des Berufsrechts der anwaltlichen und steuerberatenden Berufsausübungsgesellschaften sowie zur Änderung weiterer Vorschriften im Bereich der rechtsberatenden Berufe in Kraft. Anwältinnen und Anwälte müssen sich auf einige Neuerungen einstellen, wie die Übersicht der wichtigsten Punkte im Folgenden zeigt.
- Berufsausübungsgesellschaft: Mit der BRAO-Reform wird die anwaltliche Berufsausübungsgesellschaft erstmals umfassend geregelt. Damit sind zugleich eine Reihe neuer Freiheiten aber auch Pflichten verbunden. So muss jede Berufsausübungsgesellschaft eine eigene Berufshaftpflichtversicherung haben. Zudem ist die Gesellschaft auch selbst für die Einhaltung des Berufsrechts verantwortlich und kann der Adressat anwaltsgerichtlicher Maßnahmen sein. Alle zugelassenen Berufsausübungsgesellschaften erhalten auch ein eigenes besonderes elektronisches Anwaltspostfach (beA) in Form eines Gesellschaftspostfachs. Daneben bleiben die jeweiligen beAs des einzelnen Berufsträgers bestehen.
- Gesellschaftsformen: Anwältinnen und Anwälte können nun für ihre Berufsausübungsgesellschaften alle Rechtsformen wählen, die in Deutschland erlaubt sind. Das gilt auch für die KG oder GmbH & Co KG. Zulässig sind ebenfalls alle europäischen Gesellschaftsformen.
- Ausländische Rechtsanwaltsgesellschaften: Ausländische Rechtsanwaltsgesellschaften, die ihren Sitz in einem WTO-Mitgliedsstaat haben, dürfen über eine Zweigniederlassung in Deutschland Rechtsdienstleistungen erbringen. Dafür müssen sie bestimmte Voraussetzungen erfüllen (§ 207a BRAO), etwa die inländischen berufsrechtlichen Anforderungen erfüllen. Die Zweigniederlassung muss in Deutschland zugelassen sein und unterliegt der gleichen Aufsicht durch die Bundesrechtsanwaltskammer.
- Interprofessionelle Zusammenarbeit: Der Kreis der Personen, mit denen Anwältinnen und Anwälten sich in einer Sozietät zusammenschließen können, wird auf die Angehörigen aller freien Berufe erweitert (§ 59 a BRAO). Noch mehr Möglichkeiten bietet künftig die Bürogemeinschaft. Hier können zum Beispiel auch Angehörige gewerblicher Berufe wie KfZ-Sachverständige mit Anwältinnen und Anwälten zusammenarbeiten. Einzige Einschränkung: Sie dürfen das Vertrauen in die anwaltliche Unabhängigkeit nicht gefährden. Aus Untersuchungen des Soldan Instituts geht hervor, dass die interprofessionelle derzeit in der Praxis das attraktivere Modell ist.
- Interessenkollision: In der BRAO wird nun auch geregelt, wie sich das Verbot, widerstreitende Interessen zu vertreten, auch auf eine Sozietät erstrecken kann (§43a BRAO in Verbindung mit §3 BORA). Bislang fanden sich die Regelungen zu Interessenkonflikten nur in der Berufssatzung. Grundsätzlich dürfen Anwältinnen und Anwälte nicht für einen neuen Mandanten tätig werden, wenn sie in derselben Sache bereits für einen anderen tätig waren oder sind und dieses im Widerspruch zu den Interessen des früheren Mandanten steht. Bei einem Sozietätswechsel erstreckt sich das Tätigkeitsverbot auf alle Berufsträger in der Sozietät. Allerdings kann der Mandant sein Einverständnis erklären. Dann muss aber das Mandat von einem anderen Berufsträger in der Sozietät bearbeitet werden. Neu ist, dass diese Regelung nicht für Referendarinnen und Referendare gelten soll, die im Rahmen ihres Vorbereitungsdienstes in der Anwaltskanzlei arbeiten.
- Berufsrechtskenntnisse: Künftig müssen alle neu zugelassenen Rechtsanwältinnen und Rechtsanwälte Kenntnisse im anwaltlichen Berufsrecht nachweisen. Danach müssen sie innerhalb des ersten Jahres nach ihrer erstmaligen Zulassung zur Rechtsanwaltschaft an einer Lehrveranstaltung über das rechtsanwaltliche Berufsrecht teilnehmen, die mindestens zehn Zeitstunden dauern und die wesentlichen Bereiche des anwaltlichen Berufsrechts umfassen muss (§43f BRAO). Diese Nachweispflicht besteht nicht für Anwältinnen und Anwälte, die vor dem In-Kraft-Treten der BRAO-Reform erstmals zugelassen wurden. Ausgenommen sind auch alle Anwältinnen und Anwälte, die nachweisen können, dass sie innerhalb von sieben Jahren vor ihrer Zulassung an einer Lehrveranstaltung zum Berufsrecht teilgenommen haben.
- Syndikusanwälte: Mit In-Kraft-Treten der BRAO-Reform wird auch das bislang strenge Drittberatungsverbot für Syndikusanwälte gelockert. Sie dürfen nun auch Kunden ihres Arbeitgebers beraten, wenn es sich um Rechtsdienstleistungen handelt, die nach dem Rechtsdienstleistungsgesetz auch Nicht-Anwälten erlaubt sind, weil sie zu dem Berufs- und Tätigkeitsbild des Arbeitgebers gehören (§46 Abs. 6 BRAO).