Prof. Dr. Björn Bloching ist Senior Partner, Global Head of Roland Berger Digital und Autor („Data unser“, „Smart Data“). Auf dem Anwaltszukunftskongress in Düsseldorf wird er darüber sprechen, wie Daten die Wirtschaft verändern werden.
„Big Data“ ist heute in aller Munde. Aber was verbirgt sich genau hinter diesem Schlagwort?
Der Begriff „Big Data“ wird inzwischen in der Tat für eine Vielzahl von Themen rund um die Nutzung von Daten genutzt. Rein definitorisch wird „Big Data“ üblicherweise mit den „Drei V“ von Gartner charakterisiert: Volume, Variety und Velocity. Es geht also darum, sehr große Mengen Daten sehr unterschiedlichen Formats in höchster Geschwindigkeit auszuwerten, um daraus Erkenntnisse und letztlich Wert („Value“) für das Unternehmen zu generieren. Leider wurde und wird in der allgemeinen Begeisterung über Big Data dieses vierte V oftmals vergessen – nach dem Motto: Wir sammeln und analysieren erst mal – dann finden wir schon die richtigen Erkenntnisse. Leider funktioniert das aber in den meisten Fällen nicht richtig bzw. Aufwand und Ertrag stehen in keinem vernünftigen Verhältnis. Daher präferieren wir das Konzept von „Smart Data“: Erst die Fragestellungen sinnvoll eingrenzen und dann gezielt mit
Datenexperimenten starten – und so Schritt für Schritt präziser werden.
Vor allem Unternehmen nutzen Big Data, um das Verhalten ihrer Kunden zu prognostizieren. Inwieweit können der Datenschutz oder andere Bedenken den Einsatz hemmen?
Der Datenschutz ist das meistgenannte Argument, wenn Datenanalysen in einer Organisation verhindert werden sollen. Natürlich gibt es sehr ernsthafte Gründe, Datenschutz ernst zu
nehmen. Ich möchte meine Daten auch nicht überall gespeichert sehen. Allerdings sollten wir hier die Kirche im Dorf lassen. Ein Beispiel: Bereits mit Datenauswertungen auf Ebene größerer Kundengruppen – nicht der Einzelkunden – lassen sich hervorragende
Erkenntnisse erzielen. Bevor Unternehmen wertvolle Zeit in Scheindiskussionen zum Datenschutz und für die meisten Unternehmen technisch und analytisch gar nicht machbaren Einzelkundenauswertungen vergeuden, sollten sie sich lieber darauf konzentrieren, JETZT die juristisch und aus Kundensicht einwandfreien Möglichkeiten zu nutzen.
Gerade bei der Strafverfolgung spielt das Sammeln und Auswerten von Daten bereits seit vielen Jahren eine große Rolle. Über den zulässigen Umfang wird immer wieder heftig gestritten. Inwieweit ist Big Data überhaupt im Rechtsmarkt einsetzbar? Welche Grenzen gibt es? Welche Rolle könnte dieses Instrument für Anwälte spielen? Gibt es schon Ansätze in der Praxis?
Auch hier gilt: Anwendungen auf Ebene einzelner Personen wie etwa „Predictive Policing“ sind in Deutschland nicht erlaubt und würden massiv an den Grundfesten unserer freiheitlich-demokratischen Grundordnung rütteln. Aber das elektronische Auswerten umfangreicher Vertragswerke (z.B. Leverton für Mietverträge), automatisierte Vertragserstellung (z.B. smartlaw), Schlichtungsverfahren wie Modria oder die Prognose des Ausgangs eines Verfahrens sind möglich, sinnvoll und erlaubt. Die Anwälte werden in den nächsten Jahren eine deutliche Veränderung ihrer Branche sehen: Sie werden mehr elektronische Hilfsmittel einsetzen, neue Berufsbilder werden entstehen und die Vergütungsmodelle werden sich von rein stundenbasierten Abrechnungen etwa zu einem Mix aus Stunden- und Technologieeinsatz und/oder stark ergebnisorientierten Vergütungen verändern.