Die Digitalisierung wird auf dem Rechtsberatungsmarkt für radikale Umbrüche sorgen. Immer leistungsfähigere Computer und Softwareprogramme werden künftig auch zunehmend juristische Arbeiten erledigen, gänzlich ersetzen können sie jedoch die Anwältin oder den Anwalt nicht. Davon war die Mehrheit der rund 360 Teilnehmer des ersten Anwaltszukunftskongresses, der am 2. und 3. September in Köln stattfand, überzeugt.
Gleichwohl werden die Juristen ihre Geschäftsmodelle überdenken und sich in vielen Bereichen neu erfinden müssen, sagten Soldan-Geschäftsführer René Dreske und Ralph Vonderstein, Leiter des Geschäftsbereichs Recht und Geschäftsführer Wolters Kluwer Deutschland. Beide Unternehmen hatten den Kongress organisiert, um die Teilnehmer für das Thema „Digitalisierung“ zu sensibilisieren und sich mit den damit verbundenen Herausforderungen
auseinanderzusetzen.
„Der Arbeitsalltag der Juristen hat sich tiefgreifend gewandelt. Digitales Arbeiten ist heute nicht mehr fortschrittlich, sondern selbstverständlich geworden“, sagte Vonderstein. Das zeigen auch das elektronische Gerichts- und Verwaltungspostfach oder das besondere elektronische Anwaltspostfach (beA), das nun endlich Ende September an den Start gehen soll. „Am 29. September beginnt für die Anwaltschaft die Zukunft“, verkündete denn auch Ekkehart Schäfer, Präsident der Bundesrechtsanwaltskammer (BRAK), auf dem Kongress und stellte die Vorteile des Postfachs heraus: Sicher sei es, einfach, schnell und präzise. Er hoffe auf eine
gütliche Einigung mit den Anwälten, die vor dem Anwaltsgerichtshof gegen das beA geklagt hatten, berichtete er weiter. Dabei helfe der BRAK auch der Erlass von Bundesjustizminister Heiko Maaß.
Etwas kritischer äußerte sich hingegen Pia Eckertz-Tybussek, Vizepräsidentin des Deutschen Anwaltvereins und Vorsitzende des Kölner Anwaltvereins: „Die fortschreitende Digitalisierung verändert die Lebenssachverhalte rasant“, sagte sie. Grundlegende Strukturen unseres Rechts seien inzwischen überholt. Die Neugestaltung und Anpassung vieler Gesetze sei eine zentrale Aufgabe, betonte auch Thomas Kutschaty, Justizminister des Landes Nordrhein-Westfalen, in seiner Begrüßungsansprache. Seinen Worten zufolge werde die „Papierwelt in Gerichten und Behörden“ schon bald der Vergangenheit angehören und dazu beitragen, Bürokratie abzubauen und Verfahrenabläufe zu verbessern. Nach Auffassung von Armin Laschet, CDU-Fraktionsvorsitzender in Nordrhein-Westfalen, geht die Entwicklung allerdings nicht schnell genug voran. „Es kann nicht angehen, dass der elektronische Rechtsverkehr im Land seit Jahren nur eingeschränkt möglich ist“, sagte er auf der Abendveranstaltung des Kongresses.
Der ferneren Zukunft widmete sich Prof. Dr. Gunter Dueck in seinem launigen Vortrag. Die Skepsis der Anwälte, etwa gegenüber dem beA, schien den Mathematiker, ehemaligen Innovator bei IBM und Schriftsteller („Schwarmdumm“) eher zu amüsieren. „In der Zukunft geht es nicht darum, ob Sie E-Mail beherrschen“, rief er. „Sie haben wahrscheinlich gar kein Verkehrsrecht mehr!“, scherzte er und spielte damit auf die weit größeren Umbrüche, die die fortschreitende Digitalisierung hervorruft, zum Beispiel durch selbst fahrenden Autos. Mit diesen Herausforderungen müssten sich die Anwältinnen und Anwälte dringend beschäftigen. „Mindestens 30 Prozent ihrer Zeit müssen Sie für Innovation und Netzwerkbildung aufbringen“, mahnte er. Die Teilnehmer des Anwaltszukunftskongresses haben damit immerhin schon begonnen.
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Impressionen vom Kongress finden Sie hier.
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Ein Interview mit Prof. Dr. Gunter Dueck im Vorfeld des Anwaltszukunftskongress.
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